Armenien: Katholikos ruft zu Einheit und Bewahrung des Staats auf
An einem landesweiten Gebet für Berg-Karabach hat das Oberhaupt der Armenischen Apostolischen Kirche, Patriarch-Katholikos Karekin II., zu nationaler Einheit aufgerufen und die Befürchtung geäußert, dass auch Armenien selbst bedroht sei.
Angesichts der dramatischen Ereignisse in Berg-Karabach, das am 19. und 20. September von Aserbaidschan erobert worden war, entschied der Oberste Geistliche Rat der Kirche, die auf den 1. Oktober angesetzte Myron-Weihe zu verschieben und stattdessen in allen Kirchen in Armenien und in der armenischen Diaspora für Berg-Karabach zu beten.
In seiner Botschaft an das armenische Volk führte Katholikos Karekin II. den „Verlust von Arzach“, wie die Armenier Berg-Karabach nennen, auf die „unangemessene Reaktion der Welt auf die aggressiven, genozidalen Handlungen Aserbaidschans“, die Politik der armenischen Regierung und die „Polarisierung unseres Volks“ zurück. Nach dieser „nationalen Tragödie“ stehe Armenien vor der gleichen Bedrohung. Die Gefahr, die Souveränität und Staatlichkeit zu verlieren, würden „offen diskutiert“. Die schwierige Sicherheitslage, die „territorialen Verluste“, die Hast bei Friedensvereinbarungen „unter offensichtlichem Zwang“ und die Kommunikation der Regierung in der Öffentlichkeit hätten zu Misstrauen und einem „gerechten Aufstand“ geführt, was zu „schmerzhaften Entwicklungen“ führen könnte.
Der Katholikos rief die Politiker auf, das Volk nicht weiter zu spalten und von unausgewogenen Aussagen abzusehen. Um die Heimat außer Gefahr zu bringen, müsse nüchtern gehandelt, die „geopolitischen Realitäten korrekt beurteilt“ und alles Expertenwissen und Erfahrungen genutzt werden. Das „blutige Bild“ Berg-Karabachs sei ein Zeugnis für die aggressiven Ambitionen Aserbaidschans, die unkontrollierbar seien und mit allen Mitteln umgesetzt würden. Um die Zukunft des Landes zu gewährleisten, rief er „nationale, religiöse, öffentliche und politische Strukturen“ auf, das Volk zu einen und vereint zu handeln. An das Volk gerichtet erklärte Karekin II., in der Einheit liege die Kraft und sie sei der Weg, um das „kommende Unglück“ zu verhindern. Er zeigte sich überzeugt, dass „unser Glaube, Hoffnung, Patriotismus und Hingabe an die Nation“ nicht ausgelöscht werden können. Deshalb sei das Gebet für Berg-Karabach nicht hoffnungslos oder traurig, sondern ein „Gebet der Hoffnung und des Trostes, des Wiederauflebens und der Auferstehung“.
Am 19. September hatte Aserbaidschan das Gebiet von Berg-Karabach angegriffen, das nach dem letzten Krieg 2020 unter der Kontrolle der dortigen armenischen Bevölkerung geblieben war. Die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörende, mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region betrachtete sich seit einem ersten Krieg in den 1990er Jahren als unabhängig. Nach 24 Stunden massiven Beschusses musste die Führung Berg-Karabachs am 20. September in einen Waffenstillstand einwilligen. Zum 1. Januar 2024 hört die nicht anerkannte Republik Arzach auf zu existieren, sie wird in Aserbaidschan integriert. Ende September, Anfang Oktober ist fast die gesamte armenische Bevölkerung aus Berg-Karabach – ca. 120 000 Menschen – nach Armenien geflohen. (NZ)