Zum Hauptinhalt springen

Belarus: Handlungsspielraum für Geistliche verengt sich weiter

13. November 2024

In einem Fernsehinterview hat Alexander Rumak, der Bevollmächtigte für religiöse und nationale Angelegenheiten der belarusischen Regierung, die Grenzen der Handlungsmöglichkeiten für Religionsgemeinschaften und Geistliche sehr eng gezogen.

Diese dürften sich nicht in die Politik einmischen, Geistliche nicht an Protesten teilnehmen, den Staat kritisieren oder zu politischen Aktivitäten aufrufen, erklärte er. Damit legt er das geltende, repressive Religionsgesetz besonders streng aus.

Im überarbeiteten Gesetz über die Gewissensfreiheit, das Alexander Lukaschenka im Januar 2024 unterzeichnete, ist Religionsgemeinschaften politische Tätigkeit, die Teilnahme an Aktivitäten politischer Parteien sowie finanzielle oder andere Unterstützung für politische Parteien verboten. Aber es gibt kein Verbot für Geistliche, an Demonstrationen teilzunehmen, die nicht mit einer bestimmten politischen Kraft verbunden sind. Der Aufruf zu politischen Aktivitäten ist ihnen ebenfalls nicht verboten. Darüber hinaus dürfen religiöse Organisationen am gesellschaftlichen Leben und der Lösung aktueller sozialer Probleme der Gesellschaft teilnehmen. Ebenso steht nichts von einem Verbot der Kritik im Religionsgesetz.

Rumak argumentierte in der Fernsehsendung, dass die religiöse Tätigkeit das „Verbreiten der einen oder anderen Religion“ und das Befriedigen „spiritueller Bedürfnisse“ betreffe. Die Teilnahme an gesellschaftlichen Bewegungen hingegen werde als politische Aktivität aufgefasst. Im Gesetz würden politische Symbole in religiösen Gebäuden verboten. Jegliche Symbole, die nicht religiös seien, sondern politisch oder gesellschaftlich, würden als nicht mit dem Gesetz übereinstimmend gewertet, und darüber hinaus als Versuch, die Regierung zu kritisieren oder die Aktivitäten der Regierung zur Unterstützung der gesellschaftlichen Ordnung zu beurteilen. All das werde vom Staat bewertet. In Bezug auf Geistliche, gegen die juristisch vorgegangen wurde, sagte er, dass der Staat „zeigt, dass jeder solcher Fall entsprechend der Gesetzgebung bewertet wird“.

Die Gruppe „Christliche Vision“ aus Belarus zählt bisher 21 orthodoxe, 31 katholische, fünf griechisch-katholische und 29 protestantische Geistliche, die in irgendeiner Form aus politischen Gründen verfolgt wurden. Aktuell gelten ein orthodoxer und zwei katholische Geistliche in Belarus als politische Gefangene.

Gleichzeigt weist Christliche Vision darauf hin, dass sich immer mehr Geistliche aus den sozialen Medien zurückziehen. Einerseits würden ihre Accounts von staatlichen Behörden kontrolliert und überwacht, andererseits würden manchmal Geistliche von der Polizei vorgeladen und dann auf dem Wachposten ihre Mobiltelefone kontrolliert. Dabei seien die Behörden sehr streng, zehn Jahre alte Posts oder Links auf „extremistische Materialien“, wobei es sich um ein Foto einer Kirche mit dem Copyright-Zeichen eines verbotenen Mediums handeln könne, reichten für juristische Konsequenzen aus. Es drohten Bußen, manchmal auch Arrest oder gar ein Strafverfahren. Deshalb verminderten viele Geistliche ihre Medienpräsenz oder verließen die sozialen Netzwerke ganz, um das Risiko einer „illegalen“ Aktivität zu vermeiden. Neben der gewöhnlichen Kommunikation mit dem eigenen Umfeld werden damit auch die missionarischen und seelsorgerischen Möglichkeiten der Geistlichen eingeschränkt, findet Christliche Vision.

Auch in katholischen Kreisen werden negative Auswirkungen auf die Evangelisierung im Internet befürchtet, weil immer mehr Priester in Belarus ihre Aktivitäten in den sozialen Netzwerken vermindern oder einstellen. Manche Priester löschten ihre Konten auch auf Aufforderung ihrer Bischöfe. Allerdings reicht das Löschen von Konten nicht immer, warnt das Internetmedium katolik.life, denn oft hätten die Behörden in den vergangenen Jahren Screenshots gemacht, die sie nun als Beweise vorlegten. Die Belarusische Orthodoxe Kirche hatte vor kurzen ihre Geistlichen ebenfalls vor unfreiwillig „illegalen“ Aktivitäten in den sozialen Medien gewarnt. (NZ)

Drucken