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Deutschland: Renovabis-Kongress: Christen in Verantwortung für Europa

11. November 2013

Der diesjährige 17. Renovabis-Kongress vom 28. bis 30. August in Freising stand unter dem Motto „Frei und solidarisch. Christen in Verantwortung für Europa“ und nahm – im Vorausblick auf den 25. Jahrestag der Wende von 1989 – die Nach-Wende-Prozesse in Mittel- und Osteuropa und die Rolle der Christen und ihrer Kirchen in den Transformationsländern in den Blick. Die Internationalen Kongresse von Renovabis, der „Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen in Mittel- und Osteuropa“, haben sich in den letzten beiden Jahrzehnten als eine wichtige Austauschplattform zwischen Christen aus Ost und West etabliert.

Exemplarisch verglich dabei der Mainzer Osteuropahistoriker Jan Kusber die unterschiedlichen Entwicklungen in Russland, Lettland und Polen: Während sich in Russland bisher keine liberale Demokratie herausbilden haben könne, und das Land weiter an einem „postimperialen Syndrom“ leide, dem Vladimir Putin seinen Aufstieg verdanke, sei die Transformation in Lettland erfolgreicher verlaufen, wobei Kusber für das baltische Land allerdings Defizite bei der Integration der russischen Minderheit im Land ausmachte. Auf dem Weg der europäischen Integration am weitesten vorangeschritten, sei Polen, das heutzutage mit Deutschland eine „erwachsene Partnerschaft“ pflege; mit Blick auf die katholische Kirche in Polen konstatierte Kusber jedoch eine gewisse Abwehrhaltung gegenüber Europa, das aus Sicht bestimmter kirchlicher Kreise für die Säkularisierung im Land verantwortlich sei. Der Prager Philosoph und frühere Dissident Jan Sokol aus Prag und der orthodoxe Theologe Radu Preda aus Cluj Napoca ergänzten Kusbers Referat aus tschechischer bzw. rumänischer Sicht. Sokol hob die Notwendigkeit hervor, dass die Kirche zu einer neuen Form der Evangelisierung finden müsse – es ginge um eine Metanoia (Umkehr), denn nur so ließe sich die vielerorts säkulare und religiös distanzierte Gesellschaft erreichen: „Man muss in die unbekannte freie Welt treten – mit der Botschaft des Evangeliums.“ Der tschechische Katholizismus verharre demgegenüber aber noch zu sehr in einer traditionellen Barockfrömmigkeit.

Radu Preda beklagte mit Blick auf Rumänien, dass die kommunistischen Verbrechen nach wie vor nicht aufgearbeitet worden seien: „Es ist eine Schande für Europa – nicht für Osteuropa, auch für Westeuropa –, dass ein solcher Prozess überhaupt nicht in Gang gekommen ist.“ Zudem kritisierte Preda die Kontinuität bei den rumänischen Eliten zwischen der Zeit vor und nach dem Systemwechsel: Die Kader von einst hätten die „fabelhafte Fähigkeit“ gezeigt, zu Demokraten zu mutieren. „Aber sie sind keine Demokraten, sie spielen Theater.“ Auch die kirchliche Hierarchie nahm Preda nicht von der Kritik aus: Die Rumänische Orthodoxe Kirche sei oftmals zum Mittäter der politischen Eliten geworden, statt Widerstand zu leisten. Die Kirche sei in Gefahr, zur „metaphysischen Putzfrau“ zu werden, da sie nur noch die Scherben zusammenfege, aber nicht nach den Ursachen der Misere im Sozial- und Bildungssystem frage. Die von den Referenten angesprochenen Punkte waren auch Thema in den Arbeitskreisen am zweiten Konferenztag, an denen die rund 350 Teilnehmenden aus 30 Ländern ihre Erfahrungen zu verschiedenen Aspekten des Zusammenlebens in Europa und zum christlichen Engagement in sozialen und gesellschaftlichen Fragen austauschen konnten.

Stefan Kube

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