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Georgien: Georgische Orthodoxe Kirche protestiert gegen Religionsgesetz

23. August 2011
Das georgische Parlament hat am 5. Juli ein Gesetz zur rechtlichen Absicherung der nichtorthodoxen Religionsgemeinschaften verabschiedet.

Das Gesetz sieht vor, dass Religionsgemeinschaften auf Antrag den Status einer juristischen Person erhalten, wenn sie eine «historische Beziehung zu Georgien haben oder in zumindest einem Mitgliedsland des Europarats gesetzlich anerkannt sind». Anerkannt werden dürften demnach die Armenische Apostolische und die römisch- katholische Kirche, die Baptisten sowie muslimische und jüdische Gemeinden. Während Vertreter des Europarats, der EU und der USA das Gesetz begrüßten, protestierte die Georgische Orthodoxe Kirche scharf.

Das Oberhaupt der Georgischen Orthodoxen Kirche, Patriarch-Katholikos Ilia II. bezeichnete das Gesetz als «gefährlich». Die Abgeordneten hätten über die Konsequenzen nachdenken sollen, die dieses Gesetz in zehn oder 100 Jahren haben werde. Der Patriarch betonte allerdings, dass die Position der Kirche nicht so ausgelegt werden solle, dass sie gegen die Armenische Kirche gerichtet sei: Georgier und Armenier seien immer Brüder gewesen und würden dies immer sein. In einer offiziellen Stellungnahme der Kirche hieß es, dass das Gesetz sowohl den Interessen der Kirche als auch denen des Staates widerspreche.

Tagelang demonstrierten einige tausend Menschen, darunter auch einige Geistliche, gegen das neue Gesetz in Tbilissi. Dem Protest schlossen sich auch die Oppositionsparteien an, die die Verabschiedung des Gesetzes als «voreilig» bezeichnet und die Abstimmung boykottiert hatten. Die Demonstrationen waren zum Teil begleitet von Handgreiflichkeiten gegenüber religiösen Minderheiten, vor allem gegenüber Armeniern.

Die Georgische Orthodoxe Kirche fürchtet vor allem den Verlust ihrer privilegierten Stellung: Nach der Unabhängigkeit Georgiens 1991 hatte die Kirche auch mehrere ehemalige armenische und katholische Gotteshäuser übernommen, die in der Sowjetzeit von den Behörden geschlossen worden waren. 2002 hatten Patriarch Ilia II. und Präsident Schewardnadse ein sog. Verfassungsabkommen unterzeichnet, das die Georgische Orthodoxe Kirche trotz Einwände der anderen Religionsgemeinschaften praktisch in den Rang einer Staatskirche erhob und ihr zahlreiche Privilegien gewährte, so neben der Steuerbefreiung u. a. das Recht auf den Besitz aller, auch nicht-orthodoxer historischer Gotteshäuser des Landes bis 1920. So werden in den Städten Gori, Batumi und Kutaisi ehemalige katholische Gotteshäuser als orthodoxe Kirchen genutzt. Der Armenischen Apostolischen Kirche wurden in Georgien nach eigenen Angaben mehr als 100 Sakralbauten weggenommen (s. nachfolgende Meldung).

Regierungsvertreter wiesen anfangs die Kritik der Kirche an dem neuen Gesetz zurück. Angesichts der Proteste kam die Regierungspartei aber der Kirche entgegen und verabschiedete am 12. Juli mehrere Änderungen zum neuen Gesetz, welche den Sonderstatus der Georgischen Orthodoxen Kirche hervorheben. Laut dem Abgeordneten David Dartschiaschwili übernimmt der Staat demnach gegenüber den religiösen Minderheiten keinerlei materielle Verpflichtungen, erst recht nicht auf Kosten der Georgischen Orthodoxen Kirche. Die Pressesprecherin von Präsident Saakaschwili erklärte, dass die Regierung keinen Schritt unternehmen werde, der den Beziehungen zwischen Staat und Kirche schade, allerdings habe «die Verteidigung des Prinzips der Glaubensfreiheit fundamentale Bedeutung». Das neue Gesetz gewähre anderen Religionsgemeinschaften das Recht auf den Status einer juristischen Person, erstrecke sich aber nicht auf Eigentums- und andere strittige Fragen. Deshalb ist es fraglich, ob die anderen Kirchen ihre historischen Gotteshäuser von der Georgischen Orthodoxen Kirche zurückfordern können.

www.portal-credo.ru, 11.–13. Juli; www.religare.ru, 11. Juli; www.religio.ru, 13., 14. Juli; KNA-ÖKI, 18. Juli 2011 – O.S.

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