Georgien: Interne Konflikte erschüttern die Georgische Orthodoxe Kirche
An der außerordentlichen Bischofsversammlung aller Hierarchen der Georgischen Orthodoxen Kirche am 31. Oktober gingen die Emotionen hoch. Die Versammlung beschloss, Metropolit Petre (Tsaava) von Tschkondidi, der in der Vergangenheit bereits mehrfach mit der Kirchenleitung aneinandergeraten war, seines Amtes zu entheben.
Daraufhin kam es noch auf der Versammlung zu Rangeleien. Mehrere Geistliche berichteten anschließend, sie hätten Metropolit Petre zurückhalten müssen, auf das Oberhaupt der Georgischen Orthodoxen Kirche, Katholikos-Patriarch Ilia II., loszugehen. Der Metropolit hätte mit Gewalt aus der Versammlung entfernt müssen.
Vor Journalisten beschuldigte Metropolit Petre anschließend den Patriarchen und den Hl. Synod einer „ungerechten Entscheidung“. Wörtlich sagte er: „Ich denke, das geschieht, weil ich die Sünde der Sodomie und der Päderastie in der Georgischen Orthodoxen Kirche aufgedeckt habe. Das Volk hat einen Patriarchen, der von der Sünde der Päderastie und der Sodomie besessen ist.“
Die ungeheuerlichen Anschuldigungen schockierten nicht nur die georgische Öffentlichkeit, sondern riefen auch die georgische Politik auf den Plan. Ministerpräsident Giorgi Gacharia verurteilte die Aussagen: „Der georgische Patriarch ist ein Symbol, das Georgiens Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbindet. Solche unvorstellbaren Angriffe auf den Patriarchen, unser spirituelles Symbol, kommen einem Angriff auf unser Land und unsere Staatlichkeit gleich.“ Vertreter der größten Oppositionspartei, der Vereinten Nationalen Bewegung, machten die Politik der Regierung und deren Verbindungen nach Russland mitverantwortlich für die Krise in der Georgischen Orthodoxen Kirche. Der Abgeordnete Roman Gotsiridze forderte Reformen im Patriarchat, damit es einen neuen patriotischen Weg verfolge und den russischen Einfluss loswerde. Auch innerkirchlich gibt es einige Stimmen, die Metropolit Petre verteidigen.
In der georgischen Kirche und Politik scheint bereits jetzt ein Machtkampf um die Nachfolge des 86-jährigen Patriarchen entbrannt zu sein. Davon zeugt auch das zweite skandalumwitterte Thema der Bischofsversammlung. In deren Vorfeld hatte Metropolit Iakobi (Iakobaschwili) von Bodbe behauptet, dass ihn Regierungsvertreter bedrängt hätten, am Sturz des Patriarchen mitzuwirken. Letztlich hätten sich diese sogar zur Ermordung von Ilia II. entschieden. Ministerpräsident Gacharia wies die Anschuldigungen als „dumm“ zurück. In der georgischen Öffentlichkeit wecken sie jedoch auf jeden Fall Erinnerungen an den Fall des Erzpriesters Georgi Mamaladze, der 2017 des versuchten Mordes an der Sekretärin des Patriarchen zu neun Jahren Gefängnis verurteilt worden war (s. RGOW 10/2017, S. 4). Ursprünglich hatte man ihn sogar verdächtigt, einen Anschlag auf den Patriarchen geplant zu haben. Patriarch Ilia II. setzt sich nun für eine Begnadigung Mamaladzes ein.
www.rferl.org, 5. November;
www.eurasianet.org, 6. November; www.civil.ge, 1. November 2019 – S. K.