Georgien: «Abchasische Orthodoxe Kirche» gegründet
Priester Vissarion Apliaa, Stv.Leiter der Eparchie Suchumi und Abchasien der Georgischen Orthodoxen Kirche, gab am 15. September in der Kathedrale von Suchumi den «definitiven und unwiderruflichen» Austritt der Eparchie aus der Georgischen Kirche bekannt. Die Eparchialversammlung habe beschlossen, eine eigene Abchasische Orthodoxe Kirche mit den beiden Eparchien Pizunda und Suchumi zu gründen.
Mit dieser Entscheidung werde «die historische Gerechtigkeit wiederhergestellt». Die Eparchie Suchumi und Abchasien sei dem georgischen Katholikosat 1943 gewaltsam unterstellt worden.Schon seit dem georgisch-abchasischen Krieg 1992/93 hatte das Oberhaupt der Georgischen Orthodoxen Kirche, Katholikos-Patriarch Ilia II., kaum mehr Einfluss auf die kirchliche Situation in Abchasien. Zahlreiche Geistliche, darunter auch Metropolit Daniel (Datuaschwili), der bis heute offiziell die Eparchie leitet, verließen damals die nach Unabhängigkeit strebende Provinz. Der russischgeorgische Krieg im August 2008 und die anschließende Anerkennung der Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien seitens Russlands verschärften die kirchlichen Unabhängigkeitsbestrebungen. Wiederholt baten Geistliche aus Abchasien und Südossetien um Aufnahme ins Moskauer Patriarchat.
Das Moskauer Patriarchat hat in der Vergangenheit solche Bestrebungen wiederholt abgelehnt und blieb auch diesmal bei seinem Nein: Abchasien und Südossetien gehörten zum kanonischen Territorium der Georgischen Orthodoxen Kirche. Eine Änderung politischer Grenzen bedeute nämlich keinesfalls automatisch eine Änderung kirchlicher kanonischer Grenzen. Wegen der seelsorgerlichen Betreuung der Gemeinden in Abchasien und Südossetien stünde die Russische Kirche im Gespräch mit der Georgischen Kirche, erklärte Erzbischof Ilarion (Alfeev), der Leiter des Kirchlichen Außenamts. Auf die Haltung des Moskauer Patriarchats reagierten Abchasen und Südosseten enttäuscht; einige südossetische Orthodoxe beschuldigten Moskau sogar des «Verrats».
Katholikos-Patriarch Ilia II. sagte gegenüber georgischen Parlamentsabgeordneten, die Erklärung der abchasischen Geistlichen sei «unseriös». Niemand außer der Mutterkirche habe das Recht, die kirchliche Unabhängigkeit zu verleihen. Demonstrativ besuchte er ein Flüchtlingslager in Sugdidi, das nur wenige Kilometer von Abchasien entfernt liegt. Dort äußerte er die Hoffnung, dass die territoriale Integrität Georgiens wiederhergestellt werde und alle Vertriebenen bald in ihre Heimat zurückkehren könnten. Die Anerkennung der Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens durch Russland nannte er
einen «großen Fehler». Er hob zudem hervor, dass alle Orthodoxen Kirchen weltweit die kanonischen Grenzen des Georgischen Patriarchats anerkennen würden. – Die Georgische Kirche verfügt nach dem August-Krieg nur noch über wenige Gläubige und Gemeinden in Südossetien, da fast alle Georgier geflohen sind. In Abchasien, wo noch mehrere Tausend Georgier leben, existieren noch einige Gemeinden.
In politischen Kreisen in Tiflis ist man über die Zurückhaltung der Russischen Orthodoxen Kirche erleichtert. Der Leiter des Internationalen Zentrums für Konflikte und Verhandlungen, Georgi Chuzischwili, erklärte gegenüber der Zeitung «Novye izvestija», die Russische Kirche habe in der höchst angespannten politischen Lage zwischen beiden Ländern die einzig richtige Haltung eingenommen. Der hartnäckige Wunsch der abchasischen Geistlichen nach kirchlicher Unabhängigkeit erkläre sich durch den Druck «gewisser Kreise» in Moskau, die daran interessiert seien, die Lage weiter anzuheizen. Indiz dafür sei, dass in letzter Zeit der Druck auf die abchasische und südossetische Führung zugenommen habe, auf Konfrontationskurs gegenüber Georgien zu gehen. – Das Verhältnis zwischen der Georgischen und der Russischen Orthodoxen Kirche ist vor dem Hintergrund der angespannten politischen Beziehungen zwischen Moskau und Tiflis aber nach wie vor überraschend gut. Mehrfach riefen beide Kirchen zur Versöhnung auf, so dass sie von vielen Beobachtern des
Konflikts als einzige Brücke angesehen werden, die die verfeindeten Nachbarn noch verbindet.
Die Nachricht von der Proklamation der «Abchasischen Orthodoxen Kirche» erschien am 16. September auch auf der
offiziellen Website des abchasischen Präsidenten Sergej Bagapschu. Dazu heißt es, die Abchasische Orthodoxe Kirche wende sich «an den Präsidenten des Landes, das Parlament, die Regierung sowie alle, die ‹Macht innehaben› mit dem Appell, die Entscheidung [unserer] Kirche zu unterstützen, da sie enorme historische Bedeutung hat».
www.portal-credo.ru, 17.–18. September;
KNA, 28. September 2009 – O.S.