Georgien: Orthodoxe Geistliche führen gewaltsame Gegendemonstration gegen Gay-Parade an
Zwei Geistliche der Georgischen Orthodoxen Kirche stehen seit dem 23. Mai wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht und Widerstandes gegen die Staatsgewalt vor Gericht, ihnen droht bis zu zwei Jahren Haft.
Archimandrit Antimose (Bitschinaschwili) von der Sioni-Kathedrale in Tbilisi und Igumen Iotame (Basilaja) hatten am 17. Mai zusammen mit zahlreichen weiteren Geistlichen, darunter der Vikarbischof des Patriarchen, Jakob (Iakobaschwili), eine Protestdemonstration gegen eine genehmigte Kundgebung für die Rechte von Schwulen, Lesben und Transsexuellen angeführt. Die Protestdemonstration begann mit einem Fürbittgottesdienst, anschließend stellten sich Bischof Jakob und die Priester an die Spitze eines Demonstrationszuges von etwa 20 000 meist kräftigen Männern, viele von ihnen in T-Shirts mit der Aufschrift „Orthodoxie oder Tod“. Mit Steinen und Knüppeln bewaffnet attackierten sie den Polizeikordon, der die wenigen Dutzend Homosexuelle schützte, und verletzten 28 Personen, darunter drei Polizisten. Wie Fernsehaufnahmen zeigen, taten sich Archimandrit Antimose und Igumen Iotame dabei besonders hervor. Nach der Protestdemonstration feierte Bischof Jakob in der Sioni-Kathedrale eine Liturgie „im Namen des Sieges, weil das georgische Volk seine wahre Identität demonstrierte“, wie er sagte. Alle Demonstrierenden seien „Helden, […] wir haben gesehen, wie viele Menschen heute gekommen sind. Wir können Millionen auf die Straße bringen!“
Im Vorfeld hatte Patriarch Ilia II. wiederholt an den Bürgermeister von Tbilisi appelliert, die Gay-Parade trotz erteilter Zusage zu verbieten, andernfalls würden die Gläubigen auf die Straße gehen, zumal „in einem Land, in dem die absolute Mehrheit Anhänger traditioneller Religionen sind, für die eine homosexuelle Beziehung eine Sünde ist. […] Die Gesellschaft hat das legitime Recht, friedlich […] zu protestieren. […] Alle Religionen und Wissenschaften (Psychologie, Medizin) betrachten Homosexualität als Anomalie und Krankheit.“
Die liberale Öffentlichkeit in Georgien reagierte entsetzt auf Äußerungen des Patriarchen und die Gewalt und hat eine Debatte über die zuvor wenig hinterfragte Rolle der Georgischen Orthodoxen Kirche in der Gesellschaft initiiert. So ist eine neue Bewegung „Nein der Theokratie!“ entstanden, die in kürzester Zeit 15 000 Unterschriften gesammelt hat.
Nach Protesten westlicher diplomatischer Vertretungen erklärte Premierminister Bidsina Iwanischwili, er sei den Forderungen westlicher Staaten nach gesetzlicher Gleichstellung aller Minderheiten, einschließlich der religiösen und sexuellen, nachgekommen. Zudem seien „mehr als 2000 Polizisten zur Verhinderung von Zusammenstößen zwischen der kleinen Gruppe Homosexueller und Gegendemonstranten aufgeboten worden. Doch sie wurden von den mehreren Tausend Protestierenden überrollt“. Zwei Tage zuvor hatte Ivanschwili noch gesagt, die georgische Regierung werde die Rechte aller Minderheiten schützen, wobei sexuelle Minderheiten ebenso Bürger des Landes seien. Ihm sei bewusst, dass dies für einen Teil der Gesellschaft inakzeptabel sei, aber es „gibt in unserem Staat Rechtsschutzstrukturen, und wir werden alles tun, um die Rechte jeder Minderheit zu schützen“. Nach den Vorfällen versprach er, alle Schuldigen zu bestrafen. Allerdings sind die beiden vor Gericht gestellten Geistlichen noch nicht in Untersuchungshaft.
Das Patriarchat hat gleich nach dem gewaltsamen Zusammenstoß eine Untersuchung eingeleitet, offiziell jedoch bisher noch nicht Stellung genommen. Patriarch Ilia II. sagte am 22. Mai lediglich, „das, was am 17. Mai geschah, ist traurig, weil sich die georgischen Geistlichen wie Rüpel verhielten“. Sollte sich herausstellen, dass Priester Gewalt angewendet hätten, würde die Kirche entsprechend mit ihnen verfahren. Dessen ungeachtet sei allerdings die Aktion der Homosexuellen inakzeptabel.
www.pravmir.ru, 16. Mai; KNA-ÖKI, 27. Mai; www.religion.ng.ru, 5. Juni 2013 – O. S.