Georgien: Streit um Minarett schlägt hohe Wellen
Der Abbau eines Minaretts im Dorf Tschela in der Provinz Samzche-Dschawachetien an der Grenze zu Armenien und der Türkei hat zu Spannungen zwischen Muslimen und Christen in Georgien geführt.
Es handelt sich um den vorläufigen Höhepunkt einer Reihe von Zusammenstößen zwischen Orthodoxen und Muslimen, allein in den vergangenen sechs Monaten kam es zu 40 Zwischenfällen vor allem auf dem Land. Das 24m hohe Minarett, eine zerlegbare Metallkonstruktion, war am 14. Juli aus der Türkei geliefert und an einer wenige Monate zuvor in einem Privathaus eingerichteten Moschee angebracht worden. Am 20. August hatten die Lokalbehörden die Errichtung des Minaretts für illegal erklärt, weil sie ohne Erlaubnis erfolgt sei und schalteten das Steueramt ein. Dieses verfügte den Abbau des Minaretts mit der Begründung, es müsse überprüft werden, ob die Metallkonstruktion bei ihrer Einfuhr ordnungsgemäß verzollt worden sei. Die Muslime in Tschela dagegen erklärten, die Einfuhr des Minaretts sei rechtens. Als sich Arbeiter am 26. August an die Demontage des Minaretts machten, versuchte eine Gruppe Muslime sie daran zu hindern, es kam zum Handgemenge. Die herbeigerufene Polizei verhaftete die Demonstranten, mehrere wurden verletzt. Der Vorsitzende des Rates der Muslime Georgiens, Obermufti Dschemal Paksadse, sowie acht georgische Menschenrechtsorganisationen bezeichneten das Vorgehen der Behörden als Verstoß gegen die Bürgerrechte und forderten eine richterliche Untersuchung. Aus der benachbarten Autonomen Republik Adscharien, in der Muslime die Mehrheit der Bevölkerung stellen, zogen 500 Muslime in einem Protestmarsch aus der Hauptstadt Batumi in Richtung Tschela, um ihre Unterstützung zu bekunden. Der Leiter des Rates der Muslime des Kaukasus, Scheich ul-Islam Allahschukjur Paschasadeh, dem die georgischen Muslime unterstehen, rief zu einer umfassenden Untersuchung der Angelegenheit auf.
Nach dem Abbau des Minaretts sprachen Obermufti Paksadse und Muftis aus allen Landesteilen beim Polizeihauptquartier der Provinzhauptstadt Achalziche vor und konnten die Wiederaufstellung des Minaretts und die Freilassung der Inhaftierten erreichen. Daraufhin blockierte jedoch am 29. August ein Mob aufgebrachter Orthodoxer die Straße von Achalziche nach Tschela, um den Wiederaufbau des Minaretts zu verhindern und forderte lauthals ein Referendum über ein Minarettverbot. Zu den Demonstranten zählten mehrere orthodoxe Geistliche sowie prominente Laien mit engen Beziehungen zur Georgischen Orthodoxen Kirche.
Als Reaktion auf die Auseinandersetzungen wurde bei einem Treffen hochrangiger muslimischer und orthodoxer Würdenträger im Patriarchat, an dem u. a. Patriarch-Katholikos Ilia II., Metropolit Teodore (Tčuadse) von Achalziche und Obermufti Paksadse teilnahmen, folgende Erklärung verabschiedet: „Das … Patriarchat erklärt sich mit dem angemessenen Protest der orthodoxen Gläubigen völlig einverstanden […], respektiert aber zugleich die Haltung der muslimischen Gemeinschaft und erklärt in Absprache mit der Geistlichen Leitung der Muslime, dass das Minarett in Tschela auf neutralem Boden eingelagert, versiegelt und vom Staat geschützt werden muss; bis zu einer gerichtlichen Entscheidung sowie nach abgeschlossenen Verhandlungen zwischen dem Patriarchat und der Geistlichen Leitung der Muslime darf es nirgends aufgestellt werden. Um Konflikte und Unruhen auf religiöser Basis zu vermeiden, ersuchen wir die Regierung um eine gesetzliche Regelung, in welchen Fällen die Errichtung religiöser Bauten zumutbar ist und entsprechend gestattet wird. Die Geistlichen beider Seiten rufen ihre Gläubigen zu Ruhe und gegenseitigem Respekt auf.“
Nach dem Treffen fuhr Metropolit Teodore nach Achalziche, um die protestierenden Orthodoxen zu beruhigen. Er lobte sie für die Straßenblockade und versprach, das Minarett werde nicht wieder aufgebaut; zur Vermeidung künftiger Spannungen wolle man einen muslimisch-christlichen Rat einrichten.
www.civil.ge, 30. August;www.ng.ru, 4. September;www.rferl.org, 29. August, 2. September 2013 – O. S.