Georgien: Umstrittene Ikone mit Stalin aus Kathedrale entfernt
Aus der Dreifaltigkeitskathedrale in Tbilisi ist eine Ikone entfernt worden, die im Januar eine heftige gesellschaftliche Debatte in Georgien ausgelöst hat. Die Ikone stellt die Hl. Matrona von Moskau dar, wobei das Hauptbild von kleinen Bildern mit Darstellungen aus ihrem Leben umgeben ist. Auf einer davon ist die Heilige mit dem sowjetischen Gewaltherrscher Josef Stalin, der aus Georgien stammte, zu sehen. Die Ikone war von der konservativen, prorussischen Partei Allianz der Patrioten Georgiens gestiftet worden.
Die Entfernung der Ikone folgte auf die Turbulenzen, die die Veröffentlichung von Bildern der Ikone in den sozialen Medien durch Erzpriester Ilia Chigladze am 6. Januar hervorgerufen hatte. Am 9. Januar teilte die Aktivistin Nata Peradze auf Facebook ein Video, in dem blaue Farbe auf der Ikone zu sehen war, und erklärte später, den Farbanschlag verübt zu haben. Die Behörden eröffneten daraufhin eine Untersuchung wegen geringfügigem Rowdytum. Vor dem Haus der Aktivistin versammelten sich am 10. Januar Hunderte Anhänger der rechtsradikalen Gruppe Alt Info, darunter mehrere Priester, um sie zu beschimpfen und ihre Bestrafung zu fordern. Peradze erhielt außerdem in den sozialen Medien zahlreiche Drohungen und Beleidigungen.
Am 11. Januar rief die Georgische Orthodoxe Kirche die Allianz der Patrioten auf, die Ikone abzuändern, ansonsten würde sie das selbst tun. Sie verwies darauf, dass die Ikone „kontroverse Diskussionen“ ausgelöst und das „Objekt ungerechtfertigter Angriffe“ geworden sei, was zu „Spannungen“ in der Gesellschaft geführt habe. Das Patriarchat betonte, dass auf Ikonen nicht nur Heilige dargestellt sein dürften, sondern auch jede beliebige Person, die mit dem Leben des dargestellten Heiligen verbunden sei. Das bedeute nicht, dass die Ikone diese Personen feiere oder ihnen irgendeine Würde zuschreibe. Da aber das Treffen zwischen Stalin und Matrona, bei dem ersterer die spätere Heilige während des Zweiten Weltkriegs um Rat gefragt haben soll, nicht belegt sei und deshalb nicht in ihre offizielle Vita aufgenommen wurde, sei es „unabdingbar, die Episode auszuwechseln“.
Die Allianz der Patrioten ging sofort auf die Forderung des Patriarchats ein. Allerdings hielt deren Generalsekretärin Irma Inaschwili fest, dass deswegen niemandem das Beleidigen der Ikone vergeben werden müsse. Zudem vermutete sie, dass die Kirche auf Bestreben der Regierung gehandelt habe. Auch einige rechtsradikale Aktivisten empörten sich über das Statement der Kirche und warfen ihr vor, vor den „Liberalen“ eingeknickt zu sein. Der Vorsitzende der Allianz, David Tarkhan-Mouravi, erklärte, die Ikone werde umgestaltet und anstelle von Stalin eine Frau zeigen, die von Krebs geheilt worden sei. Dazu habe er das Patriarchat mit dem Ikonenschreiber in Verbindung gesetzt. Offen ist, ob die Ikone danach wieder in der Kathedrale zu sehen sein wird.
Die Regierungspartei Georgischer Traum kündigte am 10. Januar an, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, um strengere Strafen für die „Beleidigung von religiösen Gebäuden und Objekten“ einzuführen. Georgische Menschenrechtsgruppen befürchten, dass mit einer solchen Regelung die Redefreiheit eingeschränkt werden könnte.
Das Stadtgericht von Tbilisi hat am 2. Februar die Aktivistin Nata Peradze zu fünf Tagen Arrest wegen geringfügigem Rowdytum verurteilt. An der Gerichtsverhandlung nahm Peradze nicht teil, die Polizei verhaftete sie zuhause. (NZ)