Polen: Bischofskonferenz kritisiert neues IVF-Gesetz
Trotz scharfer Kritik seitens der katholischen Kirche hat Polens scheidender Präsident Bronisław Komorowski ein Gesetz zur Regelung der künstlichen Befruchtung unterzeichnet. Die Polnische Bischofskonferenz bekundete in einer Erklärung ihre „tiefste Enttäuschung und großen Schmerz“.
Bei der In-Vitro-Fertilisation (IVF) würden zur Ermöglichung der Geburt einer menschlichen Person zahlreiche weitere ungeborene Kinder vernichtet, was kein Katholik gutheißen könne.
In jüngsten Umfragen erreichte das Gesetz jedoch eine Zustimmung von etwa 75 Prozent der Bevölkerung. Auf diese berief sich auch der gläubige Katholik Komorowski, als er das Gesetz unterzeichnete, das Ende Juni im Parlament angenommen worden war. Erzbischof Stanisław Gądecki von Poznań, der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, ermahnte Komorowski in einem offenen Brief, dass sich Regierungsverantwortliche bei der Ausbalancierung von Partikularinteressen nicht nur an Mehrheiten, sondern auch an menschlichen und moralischen Werten orientieren müssten.
Zudem heißt es in einer Erklärung der Bischofskonferenz vom 3. August zu den Konsequenzen für Katholiken, die das IVF-Gesetz bewusst und öffentlich unterstützt haben, dass dies ihre vollständige Gemeinschaft mit der katholischen Kirche erschüttere. Sie sollten sich dem Kommunionempfang enthalten, solange sie ihre Meinung nicht öffentlich änderten – das gelte auch für den Präsidenten. Was den Umgang mit Priestern betrifft, die das Gesetz öffentlich befürwortet haben, liege die Entscheidung letztlich bei den Diözesanbischöfen: „Auf die Zustimmung zum oder die Unterschrift unter das Gesetz, das IVF zulässt, folgt nicht automatisch die Exkommunikation. Gemäß dem Codex des Kanonischen Rechts hat der Diözesanbischof dieses Recht nur nach einer genauen Untersuchung der gegebenen Angelegenheit.“
Die IVF war bisher in Polen nicht gesetzlich geregelt und wird seit 25 Jahren ohne Einschränkung praktiziert, nicht aber von der Krankenkasse bezahlt. Seit 2013 stellte der polnische Staat jedoch jedem (auch unverheirateten) Paar mit unerfülltem Kinderwunsch umgerechnet ca. 2000 CHF für eine IVF mit bis zu drei Versuchen zur Verfügung. In den vergangenen Jahren gab es mehrmals vergebliche Anläufe zur gesetzlichen Regelung der IVF. Dagegen wehrten sich vor allem die katholischen Bischöfe und die nationalkonservative Rechte (s. G2W 12/2010, S.5). Mittlerweile hat der Streit zwischen Befürwortern und Gegnern Züge eines Kulturkampfes angenommen. So hat die nationalkonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“, die laut allen Umfragen die Parlamentswahlen im Herbst gewinnen wird, bereits angekündigt, sie werde das Gesetz wieder ändern.
Das beschlossene Gesetz berücksichtigt viele Einwände der katholischen Kirche. Es erlaubt Ehepaaren und unverheirateten Paaren, die zeugungsunfähig sind, die Befruchtung von bis zu sechs Eizellen im Reagenzglas. Die Präimplantationsdiagnostik zur Wahl bestimmter Merkmale (z.B. Geschlecht) ist verboten, es sei denn, man kann damit unheilbare Krankheiten vermeiden. Zudem ist die Herstellung von Embryonen zu anderen Zwecken als der Einpflanzung in den Mutterleib verboten, und das Gesetz sieht für die Vernichtung überzähliger, normal entwickelter Embryonen eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren vor.
episkopat.pl, 22., 27. Juli, 3. August; Kathpress, 22. Juli;
FAZ, 23. Juli 2015 – R.Z.