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Polen: Einigung über neue Finanzierung für Religionsgemeinschaften

26. März 2013

Die polnische Regierung und die römisch-katholische Kirche des Landes haben sich am 21. Februar nach langen Verhandlungen (s. RGOW 12/2012, S. 4) darauf geeinigt, dass die Bürger ab 2014 freiwillig 0,5% ihrer Einkommensteuer einer Religionsgemeinschaft zukommen lassen können.

Die Polnische Autokephale Orthodoxe Kirche, mit rund 500 000 Gläubigen die zweitgrößte Konfession, lehnt dieses Finanzierungskonzept jedoch ab und will am bisherigen Modell festhalten. Andere Minderheitenkirchen und der Jüdische Gemeindebund wünschen sich einen höheren Satz als 0,5% oder sehen weitere ungeklärte Fragen.

Die freiwillige Abgabe soll den 1950 geschaffenen staatlichen „Kirchenfonds“ ersetzen, in den in den vergangenen Jahren jeweils mehr als 20 Mio. Euro bzw. 0,03% des Staatsbudgets geflossen sind. Für 2013 sind 22,6 Mio. Euro geplant. Aus dem Fonds werden die Sozialversicherungsbeiträge für rund 40% der Geistlichen aller Konfessionen beglichen sowie die Renten-, Invaliden- und Unfallversicherungen der im Ausland wirkenden Missionare und Ordensschwestern, die keine eigenen Einkünfte erzielen. Zudem werden die Krankenversicherungsbeiträge für ca. 1500 katholische Priesteramtskandidaten und die Instandhaltung von Sakralbauten finanziert. Mit diesen Zahlungen hatten die kommunistischen Machthaber wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg die Religionsgemeinschaften für die Enteignungen entschädigen wollen.

Bei den seit April 2012 laufenden Gesprächen saß der zuständige Minister für Staatsverwaltung, Michal Boni, nie gemeinsam mit allen Religionsgemeinschaften an einem Tisch. Er traf sich jeweils zuerst mit Vertretern der katholischen Kirche in der Konkordatskommission. Meist einen Tag später kam er mit allen übrigen Religionsgemeinschaften zusammen. Ohnehin hatte die katholische Kirche den Trumpf in der Hand, da das Konkordat in dieser Frage eine Einigung zwischen Regierung und Bischofskonferenz verlangt.

Im Grundsatz einverstanden mit dem geplanten Finanzierungskonzept ist die Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen, mit rund 70 000 Gläubigen die drittgrößte Konfession des Landes. Ihr leitender Bischof Jerzy Samiec erklärte gegenüber der katholischen Nachrichtenagentur KNA: „Es ist schwer festzustellen, welcher Prozentansatz ausreichend ist. Es ist eine neue Situation. Wir wissen nicht, ob Lutheraner oder Gläubige anderer Kirchen überhaupt eine Steuerabschreibung machen werden.“ Die gesamte Gesellschaft sei das neue Finanzierungsmodell nicht gewohnt. Zudem sei es für Mitglieder von Minderheitskirchen mitunter schwierig, „sich in einem konfessionell monolithischen Volk zu einer anderen Glaubensrichtung zu bekennen“, so Samiec. Eine offene Frage sei zudem bislang, ob bei konfessionsverschiedenen Eheleuten, die eine gemeinsame Steuererklärung abgeben, jeder Partner seiner Konfession die Abgabe widmen könne. Die Evangelisch-Augsburgische Kirche verlangt im Unterschied zur katholischen und orthodoxen Kirche schon heute einen festen Jahresbeitrag. Alle Erwachsenen müssen laut ihrem Statut ein Prozent ihres Bruttoeinkommens zahlen. Genau überprüft wird das allerdings nicht.

Auf scharfe Kritik stößt die neue Regelung dagegen bei der Polnischen Autokephalen Orthodoxen Kirche. Deren Oberhaupt, Metropolit Sawa (Hrycuniak), sagte der polnischen Nachrichtenagentur PAP: „Wir sind mit dem Konzept nicht einverstanden. Unsere Gläubigen leben meist in Dörfern oder kleinen Städten. Das sind arme Menschen.“ Deshalb solle die den Religionsgemeinschaften zustehende Summe weiterhin gesetzlich festgeschrieben sein. Der Bischof der evangelisch-methodistischen Kirche, Edward Puslecki, erklärte, der geplante Prozentsatz sei womöglich zu niedrig. Er reiche vielleicht nicht aus, um Geistliche und Gotteshäuser für die auf ganz Polen verteilten wenigen tausend Gläubigen zu finanzieren. Den Vorsitzenden des Jüdischen Gemeindebundes, Piotr Kadlcik, stört an dem neuen Konzept, dass man in der Steuerklärung seine Religionszugehörigkeit angeben müsse, damit diese Glaubensgemeinschaft Geld erhält. „Kein Mensch sollte zu einer solchen Erklärung gezwungen werden, die im Falle der jüdischen Minderheit gleichzeitig eine Erklärung der Nationalität ist“, so Kadlcik.

Der Warschauer Kardinal Kazimierz Nycz, der auf kirchlicher Seite den Finanzausschuss der gemeinsamen Konkordatskommission mit der Regierung leitet, bezeichnete den geplanten Satz von 0,5 Prozent der Einkommensteuer als einen „Kompromiss“. Der bisherige Kirchenfonds sei ein „Relikt der 1950er Jahre“. Die freiwillige Abgabe unterstütze das „Wirken der Kirche im karitativen, sozialen und pädagogischen Bereich“. Zudem würden mit den Einnahmen die Sozialversicherungsbeiträge von Geistlichen beglichen. Das neue System entspreche den Regelungen anderer Länder, so der Kardinal.

Wie viel Geld die freiwillige Abgabe den Konfessionen bringt, ist völlig offen. Deshalb will die Regierung bis Ende 2016 die Einnahmen auf das Niveau des Kirchenfonds aufstocken, falls sie niedriger liegen. Die Polnische Bischofskonferenz rechnet laut früheren Angaben ihres Generalsekretärs, Weihbischof Wojciech Polak, damit, dass ihr „in den ersten Jahren nicht mehr als 25 Prozent“ der Polen in der Steuererklärung Geld zusprechen. Polak verwies dabei auf die Erfahrungen mit der 2004 eingeführten Möglichkeit, ein Prozent der Einkommensteuer einer sozialen Organisation zu widmen; darunter sind auch die katholische Caritas und kirchliche Stiftungen. Trotz großer Werbung entscheiden sich nur knapp 40 Prozent der Polen dafür. Laut einer Schätzung der polnischen katholischen Nachrichtenagentur KAI dürften die Einnahmen der Religionsgemeinschaften mit der geplanten freiwilligen Kirchenabgabe etwas geringer ausfallen als im bisherigen Modell.

KNA-ÖKI, 25. Februar 2013.

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