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Polen: Polens Regierung feiert „Smoleńsk“-Filmpremiere

07. November 2016

Am 5. September 2016 hat in Warschau die Premiere des Films „Smoleńsk“ von Regisseur Antoni Krauze stattgefunden, der die Verschwörungstheorie vom russischen Attentat auf das Flugzeug des polnischen Präsidenten Lech Kaczyński am 10. April 2010 befeuert. In Krauzes Film kommen einer Fernsehreporterin Zweifel an der offiziellen Erklärung, woraus sie den Schluss zieht, dass es sich um ein Attentat auf den polnischen Präsidenten gehandelt haben muss, möglicherweise gar als Putins Rache dafür, dass Lech Kaczyński den Kampf Georgiens gegen Russland 2008 unterstützt hatte. An der Filmpremiere nahmen Präsident Andrzej Duda, Ministerpräsidentin Beata Szydło, Jarosław Kaczyński, der Vorsitzende der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und fast die gesamte Regierung teil. Kaczyński hat alle Polen aufgefordert, sich den Film anzusehen, weil er die Wahrheit über Smolensk zeige. Er will zudem, dass die im Film suggerierte Geschichtsversion Eingang in die Geschichtsbücher findet. Zur Premiere wurden nur ausgewählte Journalisten und nicht alle Angehörigen der Opfer eingeladen.

Beim Anflug auf den Flughafen Smolensk in Westrussland kamen Präsident Lech Kaczyński und alle weiteren 95 Flugzeuginsaßen, die zu einer Gedächtnisfeier für die Opfer von Katyń angereist waren, ums Leben. Die Militärstaatsanwaltschaft in Warschau kam im März 2015 zu dem Ergebnis, dass die beiden polnischen Piloten und zwei russische Flughafenmitarbeiter die Hauptschuld am Absturz des polnischen Militärflugzeugs tragen. Die nationalkonservative PiS lehnt die offizielle Version des Unfallhergangs jedoch ab und hat erneute Ermittlungen eingeleitet, im Zuge derer auch die Särge der Opfer exhumiert werden sollen, wie die Staatsanwaltschaft im Juni 2016 mitteilte. Lech Kaczyńskis Zwillingsbruder Jarosław vermutet eine Explosion an Bord des Flugzeugs und macht den damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten des Europäischen Rates, Donald Tusk, indirekt für den Absturz mitverantwortlich. Russland wird vorgeworfen, die Ermittlungen zu verzögern und Polen Beweisstücke vorzuenthalten.

Insofern belasten der Film und die neuen Ermittlungen Polens Beziehungen zu Russland, die sich im Rahmen der Gedächtnisfeiern von 2010 zu entspannen begannen. Das russische Parlament hat die sowjetische Verantwortung für die Ermordung von mehr als 20 000 polnischen Kriegsgefangenen im Frühjahr 1940 durch den sowjetischen Geheimdienst in Katyń am 26. November 2010 anerkannt (s. G2W 2/2011, S. 6). Nach Einberufung einer Dialogkommission im August 2010 haben auch die Russische Orthodoxe Kirche und die römisch-katholische Kirche in Polen am 17. August 2012 in einer gemeinsamen Erklärung zur Versöhnung beider Völker aufgerufen (s. RGOW 10/2012, S. 7).

ruchkod.pl, 23. August; wyborza.pl, 7. September; Dw.com, 13. September 2016 – R. Z.

 

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