Polen: Polnische und ukrainische Bischöfe unterzeichnen Aufruf zur Versöhnung
Anlässlich des 70. Jahrestages der „Wolhynischen Tragödie“ haben der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Józef Michalik von Przemyśl, und das Oberhaupt der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche (UGKK), Großerzbischof Svjatoslav (Schewtschuk), am 28. Juni in Warschau einen Aufruf zur gemeinsamen Versöhnung von Polen und Ukrainern unterzeichnet.
Mit der „Wolhynischen Tragödie“ (s. RGOW 5/2013, S. 10) werden die Auseinandersetzungen zwischen Ukrainern und Polen – vor allem der Ukrainischen Aufstandsarmee (Ukrainska Povstanska Armija) und der Polnischen Heimatarmee (Armija Krajowa) – in Wolhynien und Ostgalizien bezeichnet, bei denen es auch zu Massakern an der Zivilbevölkerung der jeweils anderen Seite kam. Den Massakern fielen Zehntausende auf beiden Seiten zum Opfer; noch immer herrscht Unklarheit über die genauen Opferzahlen. Die Geschichte dieses Konflikts, der das Verhältnis zwischen Polen und der Ukraine bis heute belastet, ist immer noch nicht vollständig aufgearbeitet. In der Versöhnungserklärung rufen die Bischöfe Ukrainer und Polen zu gegenseitiger Vergebung für die Verbrechen und „ethnischen Säuberungen“ auf, denen viele Tausende unschuldiger Menschen zum Opfer gefallen seien. Beide Völker sollten „weitere Schritte auf dem Weg zur brüderlichen Annäherung“ gehen, die ohne echte Versöhnung nicht möglich sei. „Extremer Nationalismus und Chauvinismus“ seien dagegen beide „verdammenswert“.
Vor der Unterzeichnung fand in der griechisch-katholischen Basilianer-Kirche von Warschau ein Gedenkgottesdienst für die Opfer der Tragödie statt, an der die Spitzen des polnischen Staates und der Kirche – Staatspräsident Bronisłav Komorowski, Erzbischof Michalik sowie der Primas von Polen, Erzbischof Józef Kowalczyk von Gniezno – teilnahmen. Von ukrainischer Seite waren Großerzbischof Svjatoslav, drei weitere griechisch-katholische Metropoliten sowie Erzbischof Ivan Martynyak von Przemyśl-Warschau präsent. Der Großerzbischof bat während des Gottesdienstes „jede polnische Familie, die Verwandte durch die Hand meiner Landsleute verloren hat, um Vergebung“.
Im Herbst letzten Jahres hatten beide Kirchen beschlossen, eine gemeinsame Erklärung zur „Wolhynischen Tragödie“ zu erarbeiten, konnten sich jedoch zuerst nur auf einen Entwurf einigen. Die UGKK hatte in Anlehnung an das Schreiben der polnischen Bischöfe an den deutschen Episkopat von 1965 die Formulierung „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ vorgeschlagen. Die polnischen Bischöfe wiesen dies zurück und schlugen stattdessen vor, die Ukrainer sollten den Satz „Wir entschuldigen uns und bitten um Vergebung“ einfügen. Dies wiederum lehnten die Bischöfe der UGKK mit dem Hinweis ab, ihre Landsleute würden dieser Formulierung niemals zustimmen, zumal „die Polen sich uns gegenüber einige Fehler haben zuschulden kommen lassen“, wie Großerzbischof Svjatoslav gegenüber dem ukrainischen Nachrichtenportal Katholickij Ogljadač im Mai 2013 formulierte. Die gemeinsame Unterzeichnung wurde erst möglich, nachdem die Polnische Bischofskonferenz die von der UGKK vorgeschlagene Formulierung „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ nach einigem Zögern akzeptiert und einstimmig verabschiedet hatte.
Die Unterzeichnung der Deklaration war der Höhepunkt des offiziellen Besuchs von Großerzbischof Svjatoslav vom 26. bis 30. Juni in Polen. Präsident Komorowski empfing ihn im Anschluss an die Unterzeichnung. Später fand ein Treffen mit der Präsidentin des Sejms, Ewa Kopacz, und dem Präsidenten des Senats, Bogdan Borusiewicz, statt. Der polnische Senat hatte am 20. Juni eine Erklärung verabschiedet, in der er die „Wolhynische Tragödie“ als „ethnische Säuberung mit Zügen eines Genozids“ verurteilt hatte. Dies war in ukrainischen Medien auf Kritik gestoßen. Kopacz würdigte nun den Besuch des Großerzbischofs als „einen wichtigen Schritt“.
www.risu.org,ua, 25. Juni; www.ugcc.org.ua, 28. Juni; www.religion.orf.at, 1. Juli; www.pravmir.ru, 3. Juli 2013 – O. S.