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Polen: Schleichende Säkularisierung

10. Mai 2016

In Polen scheint der Respekt vor dem Klerus zu schwinden. Dies lässt sich aus einer neuen Studie des kirchlichen Statistik-Instituts schließen.

Dabei gaben 1 118 katholische Pfarrer (12 Prozent) an, dass sie sich in den Jahren 2012 bis 2014 durch „beleidigende Kommentare“, tätliche Angriffe oder andere Vorfälle „diskriminiert“ gefühlt hätten. Vier Prozent der Pfarreien berichteten zudem, dass Katholiken wegen ihres Glaubens oder der Zugehörigkeit zur Kirche zwischen 2012 bis 2014 abfällig behandelt worden seien. 91 Prozent verneinten dies. Die übrigen machten keine Angaben. In neun Prozent der Pfarren seien in diesem Zeitraum heilige Stätten „entweiht“ worden.
Die Polnische Bischofskonferenz kommentierte das Ergebnis nicht. Sie hob stattdessen hervor, dass 2014 wie im Jahr zuvor 39 Prozent der Katholiken sonntags die Messe besuchten. 2012 waren es 40 Prozent. Im Rekordjahr 1982 waren es noch 57 Prozent gewesen. 1990, ein Jahr nach der politischen Wende, lag die Zahl der Gottesdienstbesucher letztmals über 50 Prozent. 1980, dem ersten Jahr der statistischen Messung des Gottesdienstbesuches, lag sie bei 51 Prozent. Die Beteiligung wird jedes Jahr im Herbst ermittelt.
Sławomir Zaręba, Soziologe an der Kardinal-Stefan-Wyszyński-Universität in Warschau, sieht die Zahlen als Beleg für eine „schleichende Säkularisierung“ in Polen. Das Land mache einen religiösen Transformationsprozess durch. Die immer mehr verbreitete Haltung lasse sich mit den Worten zusammenfassen: „Ich glaube, aber ich gehöre nicht dazu“. Der Bischof von Radom, Henryk Tomasik, sprach von einer „großen seelsorgerischen Herausforderung“. Er beklagte, dass Eltern mit ihren Kindern groß die Erstkommunion feierten, jedoch anschließend mit ihnen nicht mehr die Messe besuchten.
Die regionalen Unterschiede zwischen den Diözesen sind groß. Spitzenreiter war 2014 erneut die südpolnische Diözese Tarnów mit 70 Prozent Messbesuch. Auf Platz zwei und drei folgen die Diözese Rzeszów (65 Prozent) und die Erzdiözese Przemyśl (60 Prozent) im Südosten. Schlusslichter sind die Erzdiözesen Łódź mit 25 Prozent und Szczecin-Kamień (Stettin-Cammin) mit 25 Prozent. Die Erzdiözese Warschau liegt mit 30 Prozent im unteren Drittel. Die Zahl der Katholiken, die zur Kommunion gingen, entsprach 2014 mit 16 Prozent der des Vorjahres.
Laut Studie sind 32,9 Millionen der 35,8 Millionen Polen Katholiken. In ihren Pfarren engagieren sich acht Prozent. Die meisten aktiven Laien meldete die Erzdiözese Przemyśl mit fast 20 Prozent. Es gibt rund 25 000 Diözesanpriester und etwa 6 000 Ordenspriester. Die Zahl der Kirchenaustritte wurde nicht erhoben. Nur 2012 hatte die Polnische Bischofskonferenz eine Zahl genannt. Demnach traten 2010 in Polen mindestens 459 Katholiken aus der Kirche aus, mehr als 100 davon in der Hauptstadt-Erzdiözese Warschau.

Kathpress, 15. Januar 2016.

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