Russland: Bischof Sergij von Barnaul kritisiert Inhaftierung von Pussy Riot
Bischof Sergij (Ivannikov), neuernanntes Oberhaupt der Eparchie Barnaul, hat als erster Hierarch der Russischen Orthodoxen Kirche kritisch Stellung zum Prozess und zur Verurteilung der Mitglieder der Punk-Band Pussy Riot genommen
(s. RGOW 3/2013, S. 20 ff.). Der Bischof äußerte sich im Rahmen eines Gesprächs mit der Zeitung Večernij Barnaul am 29. August, das jedoch von deren Webseite entfernt wurde, nachdem der regierungskritische Fernsehsender Dožd‘ („Regen“) in einem Nachrichtenblock darüber berichtet und die entsprechende Passage aus dem Interview zitiert hatte.
Bischof Sergij erklärte auf die Frage, wie die Kirche reagieren würde, wenn ihr immer mehr Menschen aufgrund der vielen kritischen Beiträge über sie im Internet fernblieben und nur noch alte Mütterchen in die Gotteshäuser kämen: „Es gibt immer Leute, die überall unbedingt Flecken sehen müssen, selbst auf der Sonne. Aber in dieser Hinsicht bin ich optimistisch, die Kirche hat in Zeiten der Repression und der Verfolgung schon Schlimmeres erlebt. Und das hat nicht nur den Glauben im Volk gefestigt, sondern auch die Kirche von den Lauen gereinigt. […] Das Scherbengericht über die drei Mädels der Punk-Gruppe Pussy Riot lehne ich ab. Man hätte sie nicht bestrafen, sondern ihnen vergeben, sie freilassen und ihnen den Verlust zurückerstatten müssen, den sie während ihrer Verfolgung erlitten haben. Mit Sensationsprozessen lässt sich weder die Autorität der Kirche festigen, noch die der Personen, die in ihrem Namen einen solchen Präzedenzfall geschaffen haben. Denn es ging ja offensichtlich um einen solchen Präzedenzfall, jemand wollte den inszenieren. Ich möchte keine härteren Worte in den Mund nehmen. Hätte man mich gefragt, dann hätte ich auch das Gesetz über die Verletzung religiöser Gefühle nicht verabschiedet, für das es keinerlei Notwendigkeit gab. Aber jetzt ist es nun einmal da, und Gesetze müssen befolgt werden.“
Bischof Sergij (Ivannikov), geb. 1957 in einem Dorf bei Orlov in Ostrussland, promovierte 1986 an der Moskauer Geistlichen Akademie und empfing im gleichen Jahr die Priesterweihe. Bis 1992 diente er in der Eparchie Estland, zunächst als Vorsteher einer Kirche in Narva, ab 2000 als Vorsteher der Alexander-Nevskij-Kathedrale in Tallinn. Ende 2003 wurde er ans Kirchliche Außenamt nach Moskau versetzt und im Januar 2004 vom damaligen Metropoliten und heutigen Patriarchen Kirill zum Mönch geweiht. Im März 2012 empfing er die Bischofsweihe und wurde Bischof von Kamensk und Alapaevsk, 2013 ernannte ihn der Hl. Synod Bischof von Barnaul.
www.patriarchia.ru; www.portal-credo.ru, 29. August 2013 – O. S.