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Russland: Eltern wählen mehrheitlich Ethikunterricht statt «Grundlagen orthodoxer Kultur»

22. November 2012
Das russische Bildungsministerium hat am 14. September statistische Angaben zum neuen Pflichtfach «Grundlagen religiöser Kulturen und weltlicher Ethik» veröffentlicht, das nach einer zweijährigen Pilotphase am 1. September als Pflichtfach in der 4. Klasse eingeführt worden ist.

Bis Ende März hatten die Eltern der Schulkinder Zeit, sich zwischen den Modulen «Grundlagen der orthodoxen Kultur» bzw. der islamischen, der jüdischen, der buddhistischen Kultur sowie den religionsneutralen Fächern «Grundlagen der religiösen Kulturen weltweit» und «Grund- lagen weltlicher Ethik» zu entscheiden (s. RGOW 4/2012, S. 7).

Landesweit wählten 31,7% der Eltern die «Grundlagen orthodoxer Kultur», 4% die «Grundlagen islamischer Kul- tur», 0,6% den Buddhismus, 0,05% das Judentum, 21,2% die «Grundlagen der Kulturen der Weltreligionen» und 42,7% die «Grundlagen weltlicher Ethik». Der Unterricht findet eine Stunde pro Wo- che statt, die Mitarbeit der Schüler und Schülerinnen wird zwar notiert, aber nicht benotet. Das Fach wird von Pri- marlehrerinnen und -lehrern unterrichtet, die zum Nachweis ihrer Qualifikation einen dreimonatigen Weiterbildungskurs absolviert haben müssen.

Säkulare Kommentatoren bewerten diese Zahlen als Niederlage für die Russische Orthodoxe Kirche und die muslimischen Verbände, die sich vehe- ment für diesen Unterricht eingesetzt hatten. Orthodoxe Eltern erklärten gegenüber der kirchlichen Presse und in sozialen Netzwerken, sie schickten ihre Kinder nicht in den schulischen Unterricht zur orthodoxen Kultur, weil diese das Basiswissen über ihre Kultur bereits zuhause vermittelt bekämen und sie zudem die Sonntagsschule be- suchten. Dort würden sie in der Regel vom Gemeindepriester unterrichtet, der ihnen neben dem Katechismus auch das Kirchenslawische und weiteres Grundwissen beibringe. Demgegenüber seien die Primarlehrer, die außer dem in einem dreimonatigen Kurs erworbenen Wissen keinerlei Kenntnisse über Religion hätten, ungeeignet, ein so wichtiges Fach zu unterrichten. Wenn das Bildungsministerium erlauben würde, dass Geistliche den «Grundlagen»-Unterricht erteilen dürften, würden sie ihre Kinder «mit Freuden» dorthin hinschicken. An manchen Schulen würden die Lehrerinnen und Lehrer zudem gleich mehrere der angebotenen Module unterrichten, was aus Sicht der befragten Eltern unseriös ist.

Gemäß Bildungsminister Dmitrij Livanov dürfen Geistliche aber auch in Zukunft keines der Module des neuen Fachs unterrichten, da es sich um ein säkulares Unterrichtsfach handle. In Russland herrsche eine Trennung von Kirche und Staat, gegen die nicht verstoßen werden dürfe.

www.pravmir.ru, 18. September; www.portal-credo.ru, 19. September 2012 – O.S.

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