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Russland: Eröffnungsrede von Patriarch Kirill auf dem Bischofskonzil

17. März 2011
In seiner Eröffnungsrede zum Bischofskonzil der Russischen Orthodoxen Kirche hat Patriarch Kirill unterschiedliche aktuelle Aspekte des kirchlichen Lebens angesprochen und neueste statistische Daten bekannt gegeben.

Demnach umfasst die Russische Orthodoxe Kirche heute 64 Eparchien, die von 217 Eparchial- und Vikarbischöfen geleitet werden. Sie verfügt über 30 675 Gemeinden, 29 324 Priester und 3850 Diakone. Insgesamt gibt es 895 Klöster, davon 398 Männerund 407 Frauenklöster. In den letzten sechs Jahren sind sechs neue Eparchien entstanden, davon vier allein 2010. Inzwischen verfügt das Moskauer Patriarchat über insgesamt 92 Ausbildungsstätten, davon fünf Akademien, zwei orthodoxe Universitäten, 47 Seminare und 37 Fachhochschulen. In den Strafvollzugsanstalten gibt es 471 Gefängniskirchen und 466 Gebetsräume. In den Gefängnissen existieren 789 orthodoxe Gemeinden, zu denen laut Patriarch Kirill 73 117 Strafgefangene gehören.

Der Patriarch sprach sich in seiner Eröffnungsrede auch für die Einführung eines Gebets für Selbstmörder aus: «Alle Eparchialbischöfe haben damit zu tun, dass sich trauernde Verwandte mit der Bitte um eine Beerdigung an sie wenden. Ich denke, man muss hier eine einheitliche Praxis einführen, um Missbräuche zu vermeiden, sowohl in Richtung einer überzogenen Strenge als auch ungerechtfertigter Aufweichung.» Inzwischen sei ein besonderer Ritus für Selbstmörder erarbeitet und der Gottesdienstlichen Kommission unterbreitet worden. Falls diese ihn gutheiße, werde er nach Billigung durch den Hl. Synod in allen Eparchien eingeführt.

Kritisch äußerte sich der Patriarch zur Verleihung von Auszeichnungen an Geistliche: Diese sollte nicht automatisch nach Dienstjahren erfolgen, sondern aufgrund tatsächlich geleisteter Arbeit. Im Hinblick auf den in der Russischen Kirche in den letzten Jahren relativ häufig verliehenen Ehrenrang eines Igumen (Prior) an Mönchspriester schlug der Patriarch dessen vollständige Abschaffung vor: «Weder in der alten Russischen Kirche noch in einer der anderen heutigen autokephalen Kirchen ist der Titel ‹Igumen› eine Auszeichnung. Ein Igumen ist der Vorsteher eines Klosters.»

Den Beziehungen des Moskauer Patriarchats zum Ökumenischen Patriarchat bescheinigte Patriarch Kirill eine «positive Dynamik»: «Wir wollen keine Überlegenheit, sondern Zusammenarbeit – das ist die Botschaft, die wir uns bemüht haben, dem Ökumenischen Patriarchen zu übermitteln. Und sie – glaube ich – wurde verstanden!» Auch die Beziehungen zu den anderen autokephalen Kirchen seien sehr gut; dies gelte – trotz aller politischen Schwierigkeiten zwischen Russland und Georgien – insbesondere für die Beziehungen zur Georgischen Orthodoxen Kirche. Als eine der wichtigsten Aufgaben für die Zukunft nannte der Patriarch die Unterstützung der Serbischen Orthodoxen Kirche im Kosovo.

Zu den Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche sagte der Patriarch: «Neben den Themen, die Orthodoxe und Katholiken trennen, gibt es doch viele Probleme, zu denen wir eine gemeinsame Position einnehmen. Dies sind die Prozesse der liberalen Säkularisierung, negative Aspekte der Globalisierung, Fragen der sozialen und ökonomischen Ethik, die Krise der Werte der Familie, der Niedergang der Normen der traditionellen Moral. In diesen Fragen haben wir Perspektiven der Zusammenarbeit in internationalen Organisationen wie der UNO, der UNESCO oder auch der OECD – besonders bei der Frage der Diskriminierung der Christen.»

Demgegenüber kritisierte der Patriarch die Chancen der Zusammenarbeit mit den protestantischen Gemeinschaften: «Leider findet die Russische Kirche bei der Bewahrung des christlichen Erbes und der Verteidigung der traditionellen christlichen Werte immer weniger Verbündete in der westlichen protestantischen Welt. Auf dem Gebiet der Theologie, der Ekklesiologie und der Morallehre stehen viele protestantische Gemeinschaften auf Seiten der säkularen Ideologie. Einige Denominationen haben die Segnung ‹gleichgeschlechtlicher Verbindungen› sowie die Weihe von Personen gesetzlich verankert, die sich offen zu ihrer nicht-traditionellen sexuellen Orientierung bekennen. Unsere Aufgabe sehen wir hier darin, dass wir im Geiste christlicher Liebe vor den Protestanten Zeugnis ablegen von der orthodoxen Tradition und von den apostolischen Regeln des Aufbaus des kirchlichen Lebens.»

Orthodoxie Aktuell 2/2011, S. 10-11.

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