Russland: Erzbischof Antonio Mennini zieht positive Bilanz seiner Tätigkeit in Russland
Trotz aller Schwierigkeiten im Dialog der beiden Schwesterkirchen habe er seitens der Russischen Orthodoxen Kirche, insbesondere von Seiten des verstorbenen Patriarchen Alexij II. und des jetzigen Patriarchen Kirill stets tiefen Respekt und Aufmerksamkeit gegenüber der katholischen Tradition und der Lehre erfahren. Auch in den Beziehungen zum russischen Staat hätte sich vieles zum Besseren verändert.
Im Interview rekapitulierte Erzbischof Mennini auch noch einmal die Geschichte der römisch-katholischen Kirche in Russland: Mit den politischen Veränderungen in der UdSSR sei auch für die katholische Kirche eine lange Zeit der Verfolgung und der Prüfungen zu Ende gegangen. Die kleine katholischeGemeinde sei jahrzehntelang ganz auf sich gestellt, aller eigenen Priester beraubt und von ihrer Kirchenleitung isoliert gewesen, so dass sie 1991 ihre Hierarchie und ihre Priester aus dem Ausland habe holen müssen. Die Katholiken hätten auch kaum etwas von den Impulsen des Zweiten Vatikanischen Konzils mitbekommen. Jetzt allerdings lösten sich diese Probleme allmählich und die Katholiken würden sich zusehends als integraler Teil ihres Landes empfinden. Mit der Russischen Orthodoxen Kirche sei in vielen Bereichen Dialog und Zusammenarbeit möglich, sowohl auf sozialer als auch auf kirchlicher Ebene. Beide Seiten würden sich verstärkt um Austausch bemühen.
Erzbischof Mennini würdigte auch das theologische und liturgische Erbe der Russischen Orthodoxen Kirche: Die Kirche im Westen zehre vom Reichtum der christlichen Tradition im Osten – von der Theologie der Ikone, der russischen Religionsphilosophie oder dem Zeugnis der Neumärtyrer des 20. Jahrhunderts. Die russischen Katholiken wiederum könnten ihren Platz und ihre Aufgabe in der russischen Gesellschaft in dem Maße finden und verstehen, in dem sie ihr Wissen und die Erfahrung ihrer eigenen Tradition und «Katholizität» immer weiter vertieften.
Laut Erzbischof Mennini rückt ein Treffen zwischen Papst und Patriarch näher, doch sei es schwierig, einen konkreten Zeitpunkt zu benennen, da dieser im Verlauf der Zusammenarbeit erst heranreifen müsse. Der verstorbene Patriarch Alexij II. habe das Treffen mit dem Papst als ein «geistliches Ereignis» definiert, das auch so vorbereitet werden müsse, damit die Gläubigen beider Kirchen es tatsächlich als wichtig und nicht als bloßes protokollarisches Treffen empfinden würden. Allerdings sei es sehr wichtig, dass derzeit die Werke von Papst Benedikt XVI. auf Russisch erschienen. Der Papst werde in Russland als Theologe hoch geschätzt und man höre ihm als Hirten aufmerksam zu. Der Katechismus der Russischen Orthodoxen Kirche, an dem gegenwärtig gearbeitet werde, sowie ihre Soziallehre zeigten einen deutlichen Einfluss der entsprechenden Dokumente der katholischen Kirche.
Die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Vatikan und Russland bewertete Erzbischof Mennini als einträchtig. Auf internationaler Ebene verträten der Hl. Stuhl und Russland die gleichen humanitären und ethischen Positionen. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahr 2009 sei keineswegs eine reine Formsache gewesen, sondern Zeugnis wachsenden Respekts und gemeinsamen Handelns (s. G2W 2/2010, S. 8). Außerdem werde damit indirekt auf die Tatsache verwiesen, dass die katholische Kirche ein integraler Teil der russischen Gesellschaft sei.
www.religion.ng.ru, 19. Januar 2011 – O.S.