Russland: Erzpriester Gleb Jakunin verstorben
Der bekannte Bürgerrechtler und Erzpriester Gleb Jakunin ist im Alter von 80 Jahren am 25. Dezember 2014 in Moskau gestorben.
Jakunin hatte immer wieder auf die Repressionen der Sowjetmacht gegen die Russische Orthodoxe Kirche und andere Glaubensgemeinschaften hingewiesen und die Kollaboration von Bischöfen und Priestern mit der Staatsmacht kritisiert. Nach dem Zusammenbruch des Sowjetsystems forderte er, dass die Kirche für ihre Kollaboration mit dem Regime Buße tun müsse, und kompromittierte Personen ihres Amtes enthoben werden müssten. G2W hat Erzpriester Jakunin in den Jahren der Verfolgung ideell und materiell unterstützt und einen Teil seiner Schriften und Aufrufe veröffentlicht. Jakunin wurde 1962 zum Priester geweiht. Bereits 1966 wurde er von der damaligen Kirchenleitung suspendiert, da er 1965 gemeinsam mit einem anderen Priester in einem offenen Brief an Patriarch Alexij I. gegen die repressiven, kirchenfeindlichen Maßnahmen des Staates protestiert hatte. In dem Schreiben, das im Samizdat veröffentlich wurde, bezichtigen die Priester zudem die Kirchenleitung, sich durch Schweigen an der Knechtung der Kirche mitschuldig gemacht zu haben. Das Schreiben wurde im Westen umgehend bekannt und sorgte für großes Aufsehen.
Jakunin war seit der ersten Stunde Mitglied der Moskauer Helsinki-Gruppe und gründete 1976 das Christliche Komitee zum Schutz der Gläubigen, das in zahlreichen Schriften die Unterdrückung der Gläubigen in der UdSSR anprangerte. 1979 wurde er verhaftet und 1980 wegen „antisowjetischer Agitation und Propaganda“ zu zehn Jahren Haft verurteilt. Bis 1985 saß er im berüchtigten Lager „Perm-37“ für politische Gefangene, wurde dann nach Jakutien verbannt und 1987 während der Perestrojka begnadigt. Er durfte nach Moskau zurückkehren und dort als Gemeindepriester wirken; 1991 wurde er rehabilitiert.
1990 zog Jakunin ein erstes Mal als Abgeordneter der Partei Demokratisches Russland, deren Co-Vorsitzender er war, in den Kongress der Volksdeputierten ein. Er war einer der Mitautoren des Religionsgesetzes von 1990 und engagierte sich für die Wiedereröffnung von Kirchen und Klöstern. Aufgrund seines Zugangs zu den KGB-Archiven veröffentlichte er im März 1992 eine Reihe von Dokumenten, die die informelle Zusammenarbeit der ranghöchsten russisch-orthodoxen Hierarchen mit dem KGB belegten und forderte deren Rücktritt. Daraufhin suspendierte ihn die Russische Orthodoxe Kirche 1993 und belegte ihn mit dem Kirchenbann. Jakunin wurde zunächst Priester der Ukrainischen Autonomen Orthodoxen Kirche, später gründete er mit Gleichgesinnten die – unkanonische – Apostolische Orthodoxe Kirche. 1995 rief er das Gesellschaftliche Komitee zum Schutz der Gewissensfreiheit ins Leben und zog zum zweiten Mal als Abgeordneter ins Parlament ein. Erzpriester Jakunin wurde am 27. Dezember im Moskauer Sacharov-Zentrum aufgebahrt, wo namhafte Bürgerrechtler, Kirchenvertreter sowie Personen des öffentlichen Lebens an einer Gedenkfeier Abschied von ihm nahmen. Beigesetzt wurde er auf dem Pjatnizkij-Friedhof neben seinen Eltern.
www.portal-credo.ru, 25.–27. Dezember; www.pravmir.ru, 26. Dezember 2014. – O. S.