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Russland: Gerichtsurteil: Slogan "Orthodoxie oder Tod!" ist nicht extremistisch

19. Mai 2011
Das Gericht des Moskauer Stadtkreises Ljublino hat am 20. April die Klage der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen, die vom «Bund orthodoxer Bannerträger» vertriebenen T-Shirts mit der Parole «Orthodoxie oder Tod!» als rechtsextremistisch einzustufen.

Auf den schwarzen T-Shirts ist die Parole «Orthodoxie oder Tod!» um drei Totenkopfschädel mit Dolchen zwischen den Zähnen abgedruckt. Die Staatsanwaltschaft Ljublino hatte am 7. Juni 2010 die Produzenten und Vertreiber des T-Shirts wegen religiöser Hetze verklagt (s. G2W 10/2010, S. 9). Der «Bund orthodoxer Bannerträger», eine Organisation der extremen Rechten, hat in der Vergangenheit mit mehreren nationalistischen und fremdenfeindlichen Auftritten von sich reden gemacht; vor einigen Jahren versuchten seine Anhänger sogar, eine Ausstellung der Föderation Jüdischer Gemeinden Russlands (FEOR) zu stürmen und zu zerstören.

Bei seiner Entscheidung stützte sich das Gericht auf zwei Gutachten, auf ein religionswissenschaftliches von Roman Lunkin, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Europa-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, und auf ein psycholinguistisches von einer Gruppe von Sprachwissenschaftlern. Lunkin stellte in seinem Gutachten fest, das von der Staatsanwaltschaft vorgelegte Material enthalte weder «negative Konnotationen» noch «Anzeichen religiöser Hetze» oder «Aufrufe oder Anregung zu religiöser Zwietracht und Feindschaft»: Der ursprünglich von Mönchen des Athos-Kloster Esphigmenou propagierte Slogan werde in Russland seit den 1990er Jahren von erzkonservativen Orthodoxen, Monarchisten und Ökumene-Gegnern verwendet und sei inzwischen zu deren Markenzeichen geworden. – In dem psycholinguistischen Gutachten heißt es, der Slogan «Orthodoxie oder Tod!» richte sich nicht gegen Nichtorthodoxe, sondern versinnbildliche eine persönliche spirituelle Wahl; er zwinge «niemanden unter Todesandrohung zur Konversion », noch enthalte er «Aufrufe zur Verfolgung oder Vernichtung Nichtorthodoxer ». Der Aufdruck auf dem T-Shirt werde von «kundigen Lesern als Ausdruck der Lebenseinstellung des T-Shirt- Trägers interpretiert, er könne bei anderen jedoch auch Unverständnis oder Interesse wecken».

Die Argumentation beider Gutachten sowie der Gerichtsentscheid lösten in der Presse Konsternation aus. Valerij Emeljanov, Leiter des Internationalen Analytischen Zentrums «Zeit und Welt», erklärte, das gesamte Design des T-Shirts sei klar rechtsextremistisch; Bild und Slogan seien nicht zu trennen. Slogan und Bild würden bei Betrachtern sehr wohl Aufmerksamkeit erregen, und auch wenn beide keinen direkten rechtsextremen Appell enthielten, so implizierten sie ihn doch.

www.portal-credo.ru, 21., 26. April 2011 – O.S.

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