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Russland: Kirchliche Kritik an der Verherrlichung des Stalinismus

15. Dezember 2011
Patriarch Kirill hat am Gedenktag für die Opfer der politischen Repressionen, dem 30. Oktober, im Moskauer Vorort Troize-Lykovo die Große Kirchweihe des Gotteshauses Maria Entschlafen nach dessen Restaurierung vollzogen.

In seiner Predigt wies Patriarch Kirill darauf hin, dass «mit diesem Ort […] Furchtbares unserer nachrevolutionären Geschichte verbunden ist: Hier fanden Erschießungen und Freveltaten statt, Unschuldige wurden getötet, und genau hier wurde das blutige Dekret zur Enteignung der Kirchengüter unterzeichnet. Danach zerstörte und schändete man die Heiligtümer, vernichtete unter dem Vorwand der Hungerhilfe die materiellen Schätze sowohl der Kirche als auch unseres Vaterlandes und entfesselte eine enorme blasphemische und verleumderische Kampagne gegen Gott und die Kirche. […] Wir wollen [an diesem Tag] des Glaubens unserer Väter und des Mutes jener gedenken, die in den unheilvollen Jahren der Versuchung Christus und Seiner Kirche die Treue hielten.»

Wenige Tage zuvor, am 24. Oktober, hatte Metropolit Ilarion (Alfejev), der Leiter des Kirchlichen Außenamtes, in einem Interview in der «Rossijskaja gazeta » erklärt, «die Stalinismus-Nostalgie klingt für mich nach Gotteslästerung, erst recht aus dem Mund eines Geistlichen». Damit spielte er auf eine Äußerung von Igumen Vitalij (Utkin), Sekretär der Eparchie Ivanovo, an. Dieser hatte behauptet, «die Intelligencija ist nutzlos und schadet dem Land, daher kann es naturgemäß keine orthodoxe Intelligencija geben». Zudem drückte Igumen Vitalij seine Bewunderung für Stalin aus. – Metropolit Ilarion zeigte sich darüber schockiert: Wie könne man die heiligen Neumärtyrer verehren und dabei Stalin respektieren? Das sei, als ob man Johannes den Täufer und Herodes, der ihm den Kopf habe abschlagen lassen, gleichzeitig verehre. Wie sei es möglich, Opfer und Henker gleichermaßen Ehre zu bekunden? Und zu behaupten, die Intelligencija sei nutzlos, sei schlicht Unfug.

Igumen Vitali entschuldigte sich am 28. Oktober brieflich bei Metropolit Ilarion. Er habe «vor allem den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg und dieBewahrung der Staatsmacht im Sinn gehabt», keineswegs aber eine «Rechtfertigung der Repressionen oder Verachtung des Gedächtnisses aller Opfer des gottlosen Regimes».

Am 30. Oktober fand zudem in Svijaschesk, einer zum UNESCO-Kulturerbe zählenden Stadt aus dem 16. Jahrhundert, die sich auf einer Insel am Zusammenfluss von Wolga und Svjaga in Tatarstan befindet, die Enthüllung eines Denkmals für die Opfer der stalinistischen Repressionen statt, an der Erzbischof Anastasij (Metkin) sowie viele Geistliche seiner Eparchie teilnahmen.

www.patriarchia.ru, 24. Oktober; www.portal-credo.ru, 3., 8. November 2011 – O.S.

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