Russland: Konflikte um den Bau neuer Moscheen
Der Bau neuer Moscheen ist ein in Russland gegenwärtig heiß diskutiertes Thema: Im Moskauer Stadtviertel Tekstilschtschiki, wo die meisten Muslime der Hauptstadt leben, demonstrieren seit ein paar Wochen mehrere hundert Menschen gegen die Errichtung einer neuen Moschee. Die städtischen Behörden hatten den Moscheebau mit einem angeschlossen Kulturzentrum für ca. 3000 Gläubige Anfang Juli bewilligt. Laut Aussagen der Demonstranten habe ihr Protest keinen religiösen noch politischen Charakter, sondern richte sich vielmehr ausschließlich gegen zu erwartende Einschränkungen im Alltagsleben, wie z. B. Lärm und Verkehrschaos, sollte die Moschee gebaut werden. Am 3. November haben die Demonstranten bei Präsident Medvedev eine Liste mit 10 000 Unterschriften gegen den Moscheebau eingereicht. Drei Wochen später gaben die Behörden bekannt, dass keine Moschee in Tekstilschtschiki errichtet wird.
Spannungen und Auseinandersetzungen gibt es auch rund um die Moskauer Hauptmoschee aus dem 19. Jahrhundert, die derzeit restauriert wird. Die Behörden haben daher einer Bitte von Scheich Gajnutdin entsprochen und den Muslimen ein Grundstück für einen provisorischen Gebetsraum in der Nähe der Hauptmoschee zugeteilt. Kritiker befürchten jedoch, dass das Provisorium zu einer Dauereinrichtung werden könnte, und umliegende Anwohner beklagen sich über Lärm und Verkehrsbehinderungen. Seit 1991 sind in ganz Russland 7200 Moscheen restauriert oder neu errichtet worden – zuvor waren es weniger als 100; bis zur Revolution von 1917 verfügten die Muslime des Landes über mehr als 15 000 Moscheen. Eigenen Angaben zufolge leben heute 19 bis 20 Millionen Muslime in Russland, davon allein 1,2 bis zwei Millionen in Moskau. Den Moskauer Muslimen stehen dabei nur sechs Moscheen zur Verfügung: für die Sunniten die Historische Moschee (für ca. 800 Gläubige), die Hauptmoschee (für ca. 1500 Gläubige), die Memorialmoschee (für ca. 500 Gläubige), die Moschee «Jadram»; für die Schiiten die Moschee «Inam» (für ca. 500 Gläubige) sowie die Moschee in der iranischen Botschaft (für ca. 100 Gläubige). Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von Gebetsräumen, die vor allem in den letzten Jahren entstanden sind, z. B. im Islam-Zentrum der Universität, im Zentrum der Aserbaidschaner oder in den muslimischen Wohlfahrtseinrichtungen. Hinzu kommt, dass inzwischen immer mehr Halal-Restaurants, Bekleidungsgeschäfte, Schönheitssalons oder Fitness- Zentren ihren Kunden Gebetsräume zur Verfügung stellen.
www.religion.ng.ru, 15. 9.–20. 10.; www.portal-credo.ru, 20. 10.–11.11. 2010 – O. S.