Zum Hauptinhalt springen

Russland: Konfliktträchtige Übergabe von Kirchen im Gebiet Kaliningrad

14. Dezember 2010
Die geplante Übergabe von 15 ehemaligen Kirchgebäuden im Gebiet Kaliningrad an die Russische Orthodoxe Kirche, darunter auch die frühere katholische Pfarrkirche «Zur Hl. Familie», hat zu einer scharfen Auseinandersetzung zwischen der Orthodoxen Kirche und der römisch-katholischen Kirche im Land geführt.

Auf den öffentlichen Protest des katholischen Erzbischofs Paolo Pezzi an der geplanten Übergabe und seiner Kritik, dass diese die zwischenkirchlichen Beziehungen belaste (s. G2W 12/2010, S. 7f.), reagierte die Eparchie Kaliningrad des Moskauer Patriarchats mit einer offiziellen Stellungnahme auf ihrer Homepage.

In ihrer Stellungnahme erklärt die Eparchie ihr «Befremden» über die historischen Ausführungen von Erzbischof Pezzi, wonach es im früheren Ostpreußen ausschließlich lutherische und katholische Kirchen gegeben habe. Demgegenüber weist die Eparchie darauf hin, dass sich die nationale und religiöse Zusammensetzung des Gebiets Kaliningrad in den letzten 60 Jahren völlig verändert habe. Heute bekenne sich die «erdrückende Mehrheit» der Bevölkerung zur Orthodoxie, für deren seelsorgerliche Betreuung die Eparchie «dringend neue Räumlichkeiten» benötige. «Mehr als eigenartig» sei es zudem, dass Erzbischof Pezzi die Orthodoxen «öffentlich der Verleumdung, des Misstrauens und des Schürens nationaler und religiöser Zwietracht» angeklagt habe, ohne zuvor ein Gespräch mit Vertretern der Eparchie Kaliningrad gesucht zu haben. Dies könnte der «Zusammenarbeit und den Beziehungen unserer beiden Kirchen ernstlich schaden».

Als Antwort auf diese Stellungnahme veröffentlichte die katholische Kirche am 16. November einen Appell an Patriarch Kirill. Kritisiert wird darin besonders der Tonfall der Erklärung der Eparchie – dieser entspreche «nicht den wohlwollenden Beziehungen, die sich in letzter Zeit auf höchster Ebene herausgebildet haben». Zwar seien sich auch die russischen Katholiken bewusst, dass sich in den letzten 60 Jahren die Bevölkerungsstruktur im Gebiet Kaliningrad verändert habe, doch gebe es dort auch katholische Bürger, die sich am Wiederaufbau des Gebiets nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligt hätten. Als russische Bürger hätten die Katholiken die «gleichen, in der Verfassung verankerten Rechte wie alle anderen auch». Die Worte des Erzbischofs über «Verleumdung, Misstrauen und Schüren nationaler und religiöser Zwietracht» hätten sich keineswegs pauschal gegen die Orthodoxen oder die Russische Orthodoxe Kirche an sich gerichtet, sondern nur gegen gewisse Kommentare einzelner Personen.

Erzdiakon Andrej Kurajev, Professor an der Moskauer Geistlichen Akademie, heizte den Konflikt weiter an, indem er sich zu der Aussage verstieg: «Die russische katholische Diözese besitzt vom rechtlichen Standpunkt aus in keinem größeren Maße ein Erbrecht [auf die ehemaligen katholischen Kirchen] als etwa das katholische Erzbistum von Venezuela. » Das neue Restitutionsgesetz sei nämlich nicht auf die Kirchgebäude in der russischen Enklave anwendbar, weil diese Region im Jahr 1917 noch nicht zum Russischen Reich gehört habe.

William Yoder: Obzor SMI, 15. November; www.portal-credo.ru, 16. November; KNA-ÖKI, 22. November 2010 – O. S.

Drucken