Zum Hauptinhalt springen

Russland: Kritischer Bericht des Menschenrechtsrates zur Lage auf der Krim

18. Juni 2014

Eine Delegation des Menschenrechtsrats beim russischen Präsidenten, unter Beteiligung der renommierten Bürgerrechtlerin Svetlana Gannuschkina, hat Mitte April im Auftrag von Vladimir Putin die Krim besucht, um einen Bericht über die „Probleme der Krim-Bewohner“ anzufertigen.

Der Bericht vom 21. April ist jedoch kaum in Putins Sinne ausgefallen, da er zu dem Schluss kommt, dass beim Referendum über den Anschluss der Krim an Russland massiv gefälscht worden sei.

Die heiklen Fakten des Berichts, der sich auf die Aussagen lokaler Beamter, Geistlicher, Journalisten, Personen des öffentlichen Lebens, Rechtsanwälte, Bürgerrechtler sowie einfacher Bürger stützt, finden sich im letzten Abschnitt des Textes: Nach Angaben der russischen Regierung sollen 97 % der Wahlberechtigten bei einer Beteiligung von über 80 % für die Angliederung der Halbinsel an Russland gestimmt haben. Dazu hält der Bericht fest: „Laut Meinung praktisch aller befragten Fachleute und Bürger hat die erdrückende Mehrheit der Einwohner Sevastopols (mit einer Wahlbeteiligung von 50 %–80 %) für den Anschluss an Russland gestimmt; auf der übrigen Krim stimmten nach unterschiedlichen Angaben 50 %–60 % der Wahlberechtigten bei einer Wahlbeteiligung von 30 %–50 % für einen Anschluss an Russland. Die Krim-Bewohner stimmten dabei weniger für den Anschluss an Russland, sondern vielmehr, wie sie es formulierten, ‚für ein Ende der maßlosen Korruption und der gaunerischen Übermacht der Protegés aus Donezk‘. Die Einwohner Sevastopols hingegen votierten für einen Anschluss an Russland. Die Furcht vor illegalen bewaffneten Gruppierungen war in Sevastopol größer als anderswo auf der Krim.“

Zudem geht der Bericht auf die Probleme bei der Ausgabe russischer Pässe ein, für die zu wenige Passbüros eingerichtet und die Fristen zur Neueinbürgerung zu kurz anberaumt worden seien. Besonders fatal sei die Lage für Personen, die die ukrainische Staatsbürgerschaft behalten wollten. Allgemein beklagt werde die mangelnde Informationspolitik der russischen Behörden; die Bürger würden nicht informiert, welche Konsequenzen die Beibehaltung der ukrainischen Staatsbürgerschaft bzw. der Neuerwerb der russischen hinsichtlich Aufenthalts- und Niederlassungserlaubnis, Pensionen, staatliche Unterstützung, Sozialhilfe, medizinische Versorgung, etc. nach sich ziehen werde. Große Sorgen machten sich auch zahlreiche Krimtataren, die sich in den 1990er Jahren mit stillschweigender Duldung der ukrainischen Behörden illegal auf der Krim niedergelassen hätten und nun aufgrund der unklaren juristischen Lage um ihre mittlerweile erworbenen Häuser und übriges Eigentum bangen würden.

Unbefriedigend sei ferner die Lage der Justiz: Bis zum 31. Dezember 2014 sollten theoretisch das ukrainische und das russische Recht parallel nebeneinander gelten, eine Reihe von Gerichten urteile jedoch bereits jetzt nach russischem Recht. Besorgniserregend sei auch die Situation der Ukrainischen Orthodoxen Kirche–Kiewer Patriarchat, der die neuen Machthaber die Mietverträge für angemietete Gebäude zu kultischen und anderen Zwecken nicht verlängern wollten. Journalisten berichteten der Delegation des Menschenrechtsrats zudem über zahlreiche Einschränkungen, die die neue russische Führung ihnen auferlegen würde.

Am 7. Mai veröffentlichte der Menschenrechtsrat folgendes Dementi: „Da zahlreiche Medien den Bericht ‚Probleme der Krim-Bewohner‘ als ein offizielles Dokument des ‚Rates beim Präsidenten zur Förderung der Bürgergesellschaft und der Menschenrechte‘ und die [darin enthaltene] Einschätzung des Referendums auf der Krim als eine offizielle Wertung des Menschenrechtsrats dargestellt haben, erklären wir hiermit, dass es sich nicht um eine solche handelt. Einer der Verfasser des Berichts, Jevgenij Bobrov, weilte vom 16. bis 18. April privat auf der Krim und hat eine Übersicht über die Probleme der Lokalbevölkerung in verschiedenen Bereichen zusammengestellt. […] Der Überblick enthält weder politische Einschätzungen, offizielle Umfrageergebnisse, Untersuchungen noch Gutachten. In ihm werden lediglich die persönlichen Beobachtungen und Meinungen der Verfasser angeführt. Insbesondere hinsichtlich des Referendums geben die Verfasser des Rapports ausschließlich die Einschätzungen ihrer Gesprächspartner wider, ohne deren Objektivität und Genauigkeit in irgendeiner Weise zu bewerten. […]“

http://www.president-sovet.ru/structure/gruppa_po_migratsionnoy_politike/materialy/problemy_zhiteley_kryma.php?print=Y – O. S.

Drucken