Russland: Metropolit Ilarion zum Vorbereitungsprozess des Panorthodoxen Konzils
Metropolit Ilarion (Alfejev) hat Kritik am Vorbereitungsprozess des für Pfingsten 2016 geplanten „Großen und Heiligen Konzils“ der Orthodoxen Kirche zurückgewiesen und russischen Kritikern vorgeworfen, bewusst Falschdarstellungen zu verbreiten. In einem Interview des russischen Internet-Nachrichtendiensts pravoslavie.ru nahm der Leiter des Kirchlichen Außenamts der Russischen Orthodoxen Kirche Stellung zu den Vorwürfen, dass sich der Vorbereitungsprozess intransparent gestalte. Es wies darauf hin, dass viele orthodoxe Kirchen lange Zeit nicht in der Öffentlichkeit hätten agieren können. Die Russische Orthodoxe Kirche habe sich jedoch seit dem Ende der Sowjetunion geöffnet und gute Erfahrungen damit gemacht. Daher ermunterte sie auch andere orthodoxe Kirchen dazu, den Vorbereitungsprozess transparenter zu gestalten. Dazu seien aber nicht alle Kirchen bereit, deshalb behielten sie ihre Arbeitsweise bei.
Mit deutlichen Worten ging der Metropolit mit den Kritikern ins Gericht, die „leider absichtlich Behauptungen verbreiten, die keinerlei Grundlage haben“. So stünden „Fragen wie eine Änderung oder Abschwächung des Fastens, die Abschaffung des Mönchtums, eine zweite Ehe für die Geistlichkeit, ein verheirateter Episkopat, der Übergang aller Ortskirchen zum neujulianischen Kalender oder die Vereinigung der Orthodoxen mit anderen christlichen Gemeinschaften“ nicht auf der Tagesordnung des Konzils. Das Panorthodoxe Konzil errege jedoch die Aufmerksamkeit von Kräften, „die eine Schwächung der Kirche wünschen“. Diese machten sich die „natürliche und unserem Volk eigene konservative Einstellung zu Veränderungen im kirchlichen Leben“ zunutze und gebrauchten diese zu einer ihrem Wesen nach antikirchlichen Kampagne. Ilarion beklagte, dass „Gläubige, denen vorher phantastische Vorstellungen vom anstehenden Konzil nahegebracht wurden“, dann zu Unterschriftenaktionen gegen das Konzil angeregt würden. „Auch wenn sich diese Tätigkeit als Schutz der Reinheit der Orthodoxie tarnt, trägt sie offen einen schismatischen Charakter und zielt auf die Erschütterung der Autorität der Kirche und des Vertrauens zur Kirchenleitung“, so der Metropolit. Er versicherte, dass gelegentliche Vorschläge einzelner Kirchen, die nicht der orthodoxen Tradition entsprächen, von der Russischen Orthodoxen Kirche nicht akzeptiert würden. Da alle Entscheidungen des Konzils einstimmig gefasst werden müssen, seien radikale Anliegen somit chancenlos.
Metropolit Ilarion räumte ein, dass der Prozess trotz zweier Sitzungen der Speziellen Interorthodoxen Kommission in diesem Jahr verzögert sei: „In vollem Maße die ihr gestellte Aufgabe zu erfüllen, ist der Kommission nicht gelungen, da ihre Arbeit nicht sehr intensiv vor sich ging. Daher haben nicht alle Dokumente, die es zu redigieren galt, schon ihre endgültige Ausformulierung erhalten.“ So seien zuerst die ältesten – und damit auch am ehesten veralteten – Dokumente bearbeitet worden, darunter jene zu den zwischenkirchlichen Beziehungen, „denn gerade auf diesem Gebiet sind in letzter Zeit die substantiellsten Veränderungen eingetreten“. Zu diesen zählte Ilarion, dass „viele protestantische Gemeinschaften einen Weg der Liberalisierung der Glaubens- und Morallehre eingeschlagen haben, was die Möglichkeit und Sinnhaftigkeit unseres Dialog mit diesen Gemeinschaften in Frage stellt.“ Vor diesem Hintergrund habe man daher zwei Texte zu einem einzigen, deutlich „bescheideneren“ zusammengefasst. Zu den redigierten Texten zähle auch das Dokument zur „Bedeutung des Fastens und seiner Beachtung heute“, dessen wesentlicher Entwurf auf den verstorbenen serbischen Patriarch Pavle zurückgeht. Die insgesamt drei überarbeiteten Dokumente lägen jetzt den jeweiligen autokephalen Kirchen bzw. ihren Gremien zur Prüfung vor.
Hintergrund des Interviews war sowohl ein Besuch Ilarions am 5. und 6. Juli in Istanbul beim Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios als auch negative Spekulationen bezüglich des Konzils und des präkonziliaren Vorbereitungsprozesses in einigen russischen Medien. So wurde etwa behauptet, das Konzil wolle eine Reihe „modernistischer“ Neuerungen einführen und strebe sogar eine Art Union mit der römisch-katholischen Kirche an. Bei seinem Besuch im Phanar war der Metropolit Ilarion mit dem Ökumenischen Patriarchen, Metropolit Emmanuel (Adamakis) von Frankreich und anderen wichtigen Vertretern des Ökumenischen Patriarchats zusammengetroffen. Bei den Gesprächen ging es unter anderem um die interkirchliche Kooperation bei der Vorbereitung des Panorthodoxen Konzils und um die bilateralen Beziehungen der Patriarchate von Konstantinopel und Moskau.
www.pravoslavie.ru, 11. Juli;
KNA-ÖKI, 20. Juli 2015 – N.Z.