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Russland: Orthodoxe Gläubige besorgt über Einmischung der Kirche in die Politik

15. Dezember 2011
Eine Gruppe von Geistlichen und Gläubigen der Russischen Orthodoxen Kirche hat sich am 8. November in einem Offenen Brief an Patriarch Kirill gewandt und kritisiert, dass sich die Kirche in den Wahlkampf und in politische Debatten einmische.

Im Mittelpunkt der Kritik standen dabei vor allem die Äußerungen von Erzpriester Vsevolod Tschaplin, dem Leiter der Synodalabteilung für die Beziehungen zwischen Kirche und Gesellschaft. Dieser hatte erklärt, die Wahl Vladimir Putins zum Präsidenten werde «eine lange Periode der Stabilität bedeuten » (s. RGOW 11/2011, S. 6; RGOW 12/2011, S. 6). Dies sei jedoch ein klar politischer Aufruf.

In dem Brief heißt es weiterhin, dass sich die Kirche bei den Parlamentsund Präsidentschaftswahlen nach den «Grundlagen der Sozialkonzeption der Russischen Orthodoxen Kirche» ausrichten solle. Die Gläubigen sowie die Menschen, an die sie ihre Mission herantrage, hätten unterschiedliche politische Ansichten, nicht jeder unterstütze die Partei «Einiges Russland» und begrüße daher die kommende Präsidentschaft Vladimir Putins.

Zudem kritisierten die Unterzeichner des Briefes eine Missachtung der russischen Verfassung durch die Äußerungen von Erzpriester Tschaplin: Dieser habe den von Medvedev vorgeschlagenen «Ämtertausch » als «friedliche und freundschaftliche Machtübergabe» bezeichnet und damit das in der Verfassung verankerte Wahlprozedere völlig missachtet. Außerdem habe er in einem Interview über das demokratische Wahlsystem erklärt, eine Gesellschaft, «in der Politik betrieben werde mittels ständiger Auseinandersetzungen », sei «ebenso eine Diktatur und eine Sklaverei, nur dass hier die Diktatoren und Sklavenhalter Leute sind, die über Polittechnologien und das Können verfügen, die Massen zu manipulieren». Die Unterzeichner befürchten, dass sich die Bürger von der Kirche abwenden könnten, wenn deren offizielle Vertreter sie für «eine von Polittechnologen manipulierte Volksmasse » halten, deren Mitbeteiligung an der Leitung des Landes «einer Diktatur gleichkommt».

www.interfax-religion.ru, 9. November; Informationsdienst William Yoder, 16. November 2011 – O.S.

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