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Russland: Patriarch Kirill gegen Teilung der Ukraine

07. April 2014

Das Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill, hat davor gewarnt, dass die Existenz der Ukraine als integraler Staat in Gefahr sei. Angesichts des russischen-ukrainischen Konflikts um die Krim versicherte der Patriarch dem interimistischen Oberhaupt der Ukrainischen Orthodoxen Kirche–Moskauer Patriarchat (UOK–MP), Metropolit Onufrij (Beresovskij) von Černovtsy und der Bukovina, dass er alles in seiner Macht Stehende tun werde, um die politisch Mächtigen von einer militärischen Auseinandersetzung abzubringen.

Metropolit Onufrij hatte den Patriarchen aufgerufen, seine Stimme gegen eine russische Militärintervention in der Ukraine zu erheben.

In dem Schreiben von Patriarch Kirill an Metropolit Onufrij heißt es: „[…] Mit Trauer, Furcht und Schmerz blicke ich auf das, was heute in der Ukraine geschieht. Politische Fehden führen zu Konfrontation und Zwietracht, auch unter Menschen eines Glaubens. Die Existenz der Ukraine als einheitlicher Staat steht auf dem Spiel. Diese Ereignisse resultierten aus der innerpolitischen Krise sowie der Unfähigkeit verschiedener Kräfte in Gesellschaft und Politik, sich auf eine friedliche Beilegung der anstehenden Probleme in der Gesellschaft zu einigen.

Die Kinder unserer Kirche vertreten unterschiedliche politische Meinungen und Überzeugungen, und sie stehen auf verschiedenen Seiten der Barrikaden. Im politischen Kampf unterstützt die Kirche weder die eine noch die andere Seite. Aber sie erfüllt ihre Pflicht, indem sie jenen Sorge trägt, die Opfer von Gewalt wurden, die Schutz brauchen, und deren Leben gefährdet ist.

Als Antwort auf Ihr Schreiben, teurer Vladyko, möchte ich Ihnen und unseren ukrainischen Gläubigen versichern, dass ich alles Erdenkliche tun werde, um diejenigen, die die Macht in Händen halten, davon zu überzeugen, dass der Tod friedlicher Menschen in der meinem Herzen so teuren Ukraine nicht zugelassen werden darf. Das Blut unserer Mitbrüder, das in Kiew und anderen ukrainischen Städten vergossen wurde, ist eine Frucht des Hasses, die der Feind des Menschengeschlechts in die Herzen der Kontrahenten säte und die sie haben aufgehen lassen. Möge der Herr jeder Hand Einhalt gebieten, die sich erhebt, um Schmerz und Leid zu bereiten, und jene segnen, die den Frieden verteidigen. Auf dass Unser Allbarmherziger Vater nicht zulassen möge, dass Bruder gegen Bruder kämpft, dass die Gewalt weitergeht, dass Heiligtümer geschändet werden, dass es auf ukrainischem Boden keine weiteren Opfer mehr gibt. Lassen Sie uns inständig gemeinsam darum beten.

Keiner, der in der Ukraine lebt, darf sich jetzt in seinem eigenen Haus als Fremder fühlen, egal, welche Sprache er spricht. Jede weitere Polarisierung der Gesellschaft, jedes Anwachsen der Gewalt gegen friedliche Bürger muss unterbunden werden. Der ganzen Bevölkerung muss die Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten garantiert werden, einschließlich des Rechts auf Teilnahme an weitreichenden Entscheidungen. Diejenigen, in deren Händen die Macht liegt, sind verpflichtet, keine Gewalt oder Gesetzwidrigkeit zuzulassen. Das ukrainische Volk muss allein, ohne äußeren Einfluss, seine Zukunft bestimmen.

Die Bruderschaft des russischen, ukrainischen und weißrussischen Volkes ist eine Realität, sie wurde durch die Geschichte von vielen Generationen unserer Vorfahren mit Leid erkauft. Diese Realität, die in unseren Herzen lebt, muss unsere Zukunft bestimmen und darf nicht kurzsichtigen Interessen geopfert werden. […]“

In seinem Appell an den Patriarchen hatte Metropolit Onufrij diesen gebeten, für die territoriale Integrität der Ukraine einzutreten: „Eure Heiligkeit! Die Ukraine durchlebt jetzt, ohne jede Übertreibung, den schwersten Moment ihrer jüngeren Geschichte. Nach der dreimonatigen Krise, den blutigen Zusammenstößen im Zentrum von Kiew und dem Tod Dutzender Menschen stehen wir in diesem Augenblick vor einer nicht minder beängstigenden Prüfung. Am 1. März ertönten Verlautbarungen hochrangiger Politiker der Russischen Föderation über den möglichen Einmarsch eines beschränkten Kontingents russischer Truppen. Wenn das geschieht, dann werden das ukrainische und das russische Volk in eine Auseinandersetzung hineingezogen, die für unsere Länder katastrophale Folgen zeitigen wird.

Als Locum tenens der Kiewer Metropolie wende ich mich mit der Bitte an Sie, Eure Heiligkeit: Tun Sie alles, was in Ihrer Macht steht, damit jedes Blutvergießen auf ukrainischem Territorium verhindert werden kann. Ich bitte Sie, erheben Sie Ihre Stimme, damit die Integrität des ukrainischen Staates gewahrt bleibt. […]“

www.portal-credo.ru, 2. März; www.patriarchia.ru, 2. März 2014 – O. S.

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