Russland: Putin trifft Vertreter aller traditionellen Religionsgemeinschaften
Die Forderungen der Opposition oder die sozialen Probleme des Landes wurden nicht thematisiert, vielmehr gestaltete sich das Gespräch als eine Unterstützung für die Kandidatur Putins.
Patriarch Kirill begrüßte Putin als den Kandidaten mit den besten Chancen für die Präsidentschaft und dankte ihm für dessen «Rolle bei der Begradigung der Schieflage der Nation» und für das Herausführen des Landes aus der Krise der 1990er Jahre. Was damals geschehen sei, ließe sich nur «mit der Zeit der Wirren im 17. Jahrhundert, dem Krieg gegen Napoleon, dem Bürgerkrieg oder der Hitlerschen Aggression» vergleichen, denn es sei um die schiere Existenz des Landes gegangen. «Durch das Wunder Gottes und die Mitwirkung der Staatsmacht und ihrer Führung» sei es gelungen, «der schrecklichen, gefährlichen Zone zu entrinnen. […] Ich als Patriarch muss die Wahrheit sprechen, und ich sage ohne jede Rücksicht auf politische Konjunktur: Die wichtigste Rolle haben Sie persönlich dabei gespielt, Vladimir Vladimirovitsch». Das bedeute allerdings nicht, dass die Religionsgemeinschaften nicht manches an seinem Tun oder den Vorgängen im Land kritisch sähen.
Der Leiter des Kirchlichen Außenamtes des Moskauer Patriarchats, Metropolit Ilarion (Alfejev), dankte Putin für dessen Sorge um die Auslandsrussen, für welche die Gemeinden der Russischen Orthodoxen Kirche zu neuen Heimstätten geworden seien. Eine der wichtigsten Aufgaben «unserer Kirche ist das Sammeln der Heiligen Rus’, wie Patriarch Kirill es formuliert. Nicht zufällig besucht er so oft die Ukraine und andere Länder des nahen Auslands». Putin tue sehr viel dafür, «damit die zentrifugalen Kräfte im postsowjetischen Raum zu zentripetalen» würden und die Autorität Russlands wachse.
Auch die anderen Religionsvertreter lobten Putin und seine Politik: Großmufti Talgat Tadjudtin erklärte, Putin habe durch sein «direktes Handeln das Land vor dem Zerfall bewahrt», dank ihm wachse «das Ansehen Russlands auf der internationalen Bühne von Tag zu Tag.» Oberrabbiner Berl Lasar dankte Putin «für alles, was Sie für die Juden und die Religion im Allgemeinen getan haben» – die Zukunft werde noch besser. Pastor Sergej Rjachovskij von den Evangeliumschristen- Baptisten sagte: «Ihre Vorschläge legen sich einem geradewegs aufs Herz. […] Wir verbinden die Zukunft mit Ihnen, ohne Wenn und Aber!» Pastor Vasily Stoljar von den Adventisten erklärte: «Sie haben uns die Gegenwart gesichert und wir erwarten eine große Zukunft mit Ihnen. Wir beten für Sie, weil wir glauben, dass jede Staatsmacht von Gott ist. Gott segne Sie.»
Putin dankte den Religionsvertretern und sagte, der Staat stehe nicht zuletzt materiell «noch immer in der Schuld der Kirche und unserer traditionellen Religionen » und versprach ein ganzes Maßnahmenpaket: Für die Renovation religiöser Gebäude werde der Staat in den nächsten drei Jahren insgesamt umgerechnet 106 Mio. CHF freigeben und den Religionsgemeinschaften mehr Sendezeit am staatlichen Fernsehen zur Verfügung stellen. Zudem sollen künftig auch Geistliche das Fach «Religiöse Kultur und Ethik» an öffentlichen Schulen unterrichten dürfen, was bisher nicht gestattet war. Darüber hinaus sprach sich Putin für die Einführung von Theologie als geisteswissenschaftliches Fach an Fachhochschulen und Universitäten aus und für eine rechtliche – und damit auch finanzielle – Gleichstellung religiöser und säkularer Lehreinrichtungen. Bereits zuvor hatte Putin am 28. Januar einen Erlass über die Einführung der «Grundlagen religiöser Kultur und weltlicher Ethik» für das Schuljahr 2012/2013 in der 4. Klasse als obligatorisches Unterrichtsfach unterzeichnet (s. nachfolgende Meldung) und ein großangelegtes Ausbildungsprogramm für die Lehrer des neuen Fachs gutgeheißen.
www.patriarchia.ru, 8. Februar; www.religion.ng.ru, 9. Februar; www.portal-credo.ru, 8.–15.Februar; www.interfax-reliigon.ru, 9. Februar; APD 48/2012 – O.S.