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Russland: Religiöse Organisationen sollen Finanzierung aus dem Ausland offenlegen

14. Januar 2015

Ende November hat eine Gruppe von Duma-Abgeordneten einen Gesetzesentwurf über die Änderung des föderalen Gesetzes „Über die Gewissensfreiheit und Religionsgemeinschaften“ vorgelegt. Das Ziel der Gesetzesänderung ist laut den Initianten eine verbesserte Kontrolle über die Tätigkeit der religiösen Organisationen.

Umfang und Struktur von festangestelltem und freiwilligem Personal, von Eigentum sowie Einnahmen und Ausgaben religiöser Organisationen „dürfen nicht länger Gegenstand ihres Geschäftsgeheimnisses sein“.

Laut dem Gesetzesentwurf sollen die Religionsgemeinschaften dem Justizministerium einen jährlichen Rechenschaftsbericht über ihre Arbeit, die Aktivitäten ihrer Leitung, Ausgaben und Verwendungszweck ihrer Finanzen sowie die Nutzung weiteren Eigentums vorlegen. Rechenschaftspflichtig sind zudem Zuwendungen ausländischer Organisationen und Privatpersonen. Der Rechenschaftsbericht muss öffentlich einsehbar sein und im Internet oder in den Medien platziert werden. Wenn sich eine Organisation weigert, ihren Rechenschaftsbericht termingerecht abzuliefern (die Fristen stehen noch nicht fest), ist das Justizministerium berechtigt, gerichtlich ihre Auflösung einzufordern.

Der Gesetzesentwurf weckt Assoziationen zum 2012 verabschiedeten NGO-Gesetz (s. RGOW 20/2013, S. 16–17). Demnach gelten alle Nichtregierungsorganisationen, die aus dem Ausland Geld erhalten und in Russland politisch aktiv sind, als „ausländische Agenten“. Sie müssen sich speziell registrieren lassen und unterliegen einer strengeren Finanzkontrolle. Diese Kontrollen werden laut betroffenen Nichtregierungsorganisationen auch dafür eingesetzt, ihre Aktivitäten lahmzulegen (s. RGOW 10/2014, S. 3). Im Unterschied zum NGO-Gesetz sieht der jetzige Gesetzesentwurf jedoch nicht vor, dass einer aus dem Ausland (mit)finanzierten religiösen Organisation der Status eines „ausländischen Agenten“ zugeschrieben wird.

Roman Lunkin, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften, kritisierte den Gesetzesentwurf, da er auf eine totale Kontrolle der religiösen Organisationen abziele: „Die Phobien der Bürokraten vor zivilgesellschaftlichem Engagement und religiöser Vielfalt führen zum Verschwinden der – in erster Linie nicht-orthodoxen – religiösen Organisationen aus der Öffentlichkeit. […] Im Rahmen der Suche nach ‚ausländischen Agenten‘ wurden 2013 auch die religiösen Organisationen auf Finanzierung aus dem Ausland überprüft. Muslime, Protestanten und Katholiken klagten, ihre Gläubigen müssten sich demütigenden Fragen stellen, ob auch sie ‚Spione‘ seien. Fakt ist, dass die meisten religiösen Organisationen mit Ausnahme der muslimischen schon seit langem keine größeren Zuwendungen mehr aus dem Ausland mehr erhalten. Ich bin mir fast sicher, dass bei Annahme des Gesetzes sämtliche finanziellen Rechenschaftsberichte der Russischen Orthodoxen Kirche auch weiterhin unter Verschluss bleiben.“

Informationsdienst William Yoder, 24. November, 4. Dezember 2014 – O.S.

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