Russland: Patriarch Kirill zur Todesstrafe
Der Moderator hatte dem Patriarchen zuvor die Frage gestellt, ob er ebenfalls der Ansicht sei, Westeuropa würde «uns in letzter Zeit immer öfter Werte aufzwingen, die weder unseren historischen noch kulturellen Traditionen entsprechen ». Viele Moldauer, Russen und Ukrainer würden sich fragen, warum Schwerverbrecher und Terroristen auf ihre Kosten im Strafvollzug einsitzen müssten und nicht hingerichtet würden. Daraufhin antwortete der Patriarch, die absolute Mehrheit der Menschen in der Republik Moldau, der Ukraine und Russland befürworte die Todesstrafe, auch die Russische Orthodoxe Kirche lehne sie nicht ab. Jesus Christus selbst sei gekreuzigt worden und habe die Todesstrafe erlitten, jedoch an keiner Stelle gesagt, dass Kriminelle nicht hingerichtet werden dürften. Auch bei den Kirchenvätern fehle ein solches Verbot. Folglich sei die Absage an die Todesstrafe nicht in der christlichen Tradition verankert, sondern einer neuen liberalen philosophischen Idee entsprungen, die im westeuropäischen Raum entstanden sei.
Die Kirche habe sich zwar niemals gegen die Verhängung der Todesstrafe ausgesprochen, sehr wohl aber gegen ihre Vollstreckung. Im Russischen Reich seien daher im Verlauf von über 100 Jahren lediglich sieben bis acht Todesurteile vollstreckt und nur geringfügig mehr Kriminelle zu dieser Höchststrafe verurteilt worden. Der Grund dafür liege darin, dass sich die Kirche als Fürsprecherin der Straftäter verwendet und dafür eingesetzt habe, dass sie nicht hingerichtet würden, damit Priester und Seelsorger sie zur Buße bewegen könnten. Dies sei in den meisten Fällen auch gelungen.Persönlich sprach sich Patriarch Kirill gegen die Todesstrafe aus. Beim derzeitigen Zustand der Gerichte in Russland könnten bei Anwendung der Todesstrafe Menschen einfach per Gesetz aus dem Weg geräumt werden. Darin liege eine große Gefahr, da es immer wieder Fälle gebe, bei denen im letzten Moment die Unschuld eines Angeklagten festgestellt worden sei. Nur in ganz klar definierten Fällen dürfe «von einer Todesstrafe die Rede sein, bei Triebtätern, Massenmördern oder Terroristen». Dabei müsse die Schuld des Angeklagten ohne jeden Zweifel feststehen. Zunächst sollte allerdings das russische Justizsystem reformiert werden: Die Gerichte müssten unbestechlich sein, und die Strafverfolgungsbehörden einwandfrei arbeiten, damit die Verankerung der Todesstrafe im Strafrecht auf gar keinen Fall zu einem Werkzeug für eine gewalttätige Abrechnung mit Unbequemen würde.
www.patriarchia.ru, 11. Oktober 2011 – O.S.