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Russland: Verletzung religiöser Gefühle soll bestraft werden

25. April 2013

Nach massiver Kritik im In- und Ausland haben die Duma-Abgeordneten am 15. April Abstand von einem Gesetzesentwurf genommen, der härtere Strafen für die Verletzung von religiösen Gefühlen und die Schändung von Heiligtümern vorsah (s. RGOW 1/2013, S. 24–25). In erster Lesung hatte die Duma am 11. April noch mit absoluter Mehrheit für ein solches Gesetz gestimmt. Statt eines eigenen Gesetzes seien die Abgeordneten laut Jaroslav Nilov, dem Leiter des staatlichen Komitees für die Angelegenheiten der gesellschaftlichen Vereinigungen und religiösen Organisationen, übereingekommen, Art. 148 des Strafgesetzbuches „Die Verletzung des Rechts auf Gewissensfreiheit und Glaubensfreiheit“ zu präzisieren.

Die Präzisierungen sehen aber die gleichen Verschärfungen vor, wie sie vorher im Gesetzesentwurf standen, weswegen Kritiker von Augenwischerei sprechen.

Der Art. 148 des russischen Strafgesetzbuches soll demnächst wie folgt lauten: „Öffentliche Handlungen, die eine zweifelsfreie Respektlosigkeit gegenüber der Gesellschaft bekunden und die mit dem Ziel begangen werden, die religiösen Gefühle von Gläubigen zu verletzen, werden mit einer Geldstrafe von bis zu 300 000 Rubel [umgerechnet ca. 7300 Euro] oder einer Strafe in Höhe eines Monatslohns oder einer anderen Einkunft des Verurteilten für den Zeitraum von bis zu zwei Jahren oder mit bis zu 240 obligatorischen Sozialstunden oder mit obligatorischen Arbeiten bis zu einem Jahr oder Freiheitsentzug bis zu einem Jahr geahndet.“ Weiter heißt es: „Werden die gleichen Handlungen an Orten ausgeführt, die eigens für Gottesdienste oder andere religiöse Zeremonien vorgesehen sind, so werden sie mit einer Strafe von bis zu 500 000 Rubel [umgerechnet ca. 12 000 Euro] oder mit einer Geldstrafe in Höhe eines Monatslohns oder eines anderen Einkommens des Verurteilten für den Zeitraum von bis zu drei Jahren oder mit bis zu 480 obligatorischen Sozialstunden […] oder bis zu drei Jahren Haft belegt.“ Unter Strafe mit bis zu drei Monaten Haft wird auch die „Behinderung religiöser Organisationen beim Vollzug ihrer religiösen Riten und Zeremonien“ gestellt. Sollten Staatsbeamte gegen diese Vorschrift verstoßen, droht ihnen eine einjährige Haftstrafe.

Nilov betonte, für eine strafrechtliche Verfolgung müsse dem Angeklagten „sowohl die unmissverständliche Absicht als auch die Öffentlichkeit der Tat sowie ihre amoralische Form und die demonstrative Respektlosigkeit gegenüber der Gesellschaft“ nachgewiesen werden können. Man dürfe alltägliche Beleidigungen nicht mit Beleidigungen im juristischen Sinn verwechseln. Wenn ein Handy in einer Kirche klingle oder eine Babuschka dort kein Kopftuch trage, so sei das keine Verletzung religiöser Gefühle im juristischen Sinn.

Kritiker des Gesetzesvorhabens verwiesen jedoch umgehend darauf, dass die Änderungen rein kosmetischer Art seien. So fehle beispielsweise eine klare juristische Definition des Begriffs „Gefühle“ sowie eine Definition für den Rechtsverstoß, da sich ein solcher unmöglich objektiv feststellen lasse. Die Änderungen seien repressiv und richteten sich gegen selbstverständliche öffentliche Diskussionen zum Thema Religion und insbesondere zum Verhältnis zwischen Kirche und Staat.

Die Idee zu einem eigenen Gesetz zur Bestrafung der Verletzung von religiösen Gefühlen war im Zusammenhang mit dem Skandalauftritt der Punk-Band Pussy Riot entstanden (s. RGOW 3/2013, S. 20–21). Während bislang für Blasphemie in Russland nur ein Bußgeld von 25 Euro galt, sah der ursprüngliche Gesetzesentwurf für die Beleidigung religiöser Gefühle eine Geldstrafe bis zu 7500 Euro oder bis zu drei Jahre Haft vor, für die Schändung religiöser Gegenstände und Einrichtungen Geldstrafen bis 12 400 Euro oder bis zu fünf Jahren Haft.

Der Menschenrechtsrat beim russischen Präsidenten, zahlreiche Juristen und Bürgerrechtler hatten den Entwurf massiv kritisiert, da er gegen gleich vier Verfassungsartikel verstoße: Art. 14 (Über den säkularen Staat), Art. 19 (Von der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, unabhängig von deren Überzeugungen und Religionen), Art. 28 (Über die Gewissensfreiheit und die freie Wahl und Verbreitung religiöser und anderer Überzeugungen) und Art. 29 (Vom Recht auf freie Rede und ihre Verbreitung in Wort und Schrift). Das Gesetz sei repressiv, seine schwammigen Formulierungen öffneten der Willkür Tür und Tor und zudem reichten die vorhandenen Gesetze vollkommen aus; dagegen würde ein neues Gesetz nur antireligiöse Stimmungen heraufbeschwören und neue Unruhe schaffen.

Die Russische Orthodoxe Kirche unterstützte hingegen die Gesetzesinitiative. Laut einer Umfrage befürwortet eine Mehrheit von 49 Prozent der Russen eine Verschärfung des Blasphemiegesetzes, 34 Prozent sind dagegen.

www.portal-credo.ru, 11.-16. April; Kathpress, 10. April 2013 – O. S.

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