Tschechien: Volkszählung dokumentiert wachsende Distanz zum organisierten Christentum
Demnach verlieren die größeren christlichen Kirchen, die seit jeher in Tschechien nur eine Minderheit repräsentieren, weiter kontinuierlich Anhänger. Die 1,1 Millionen Katholiken repräsentieren heute noch ungefähr 10 % der Bevölkerung, während die größte protestantische Kirche, die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder, nur ein halbes Prozent der Tschechen zu ihren Gläubigen zählen kann. Etwas anders sieht es bei den kleineren, überwiegend protestantischen Kirchen aus, die in den letzten zwei Jahrzehnten zwar nicht spektakulär gewachsen sind, aber durch die Gründung neuer Gemeinden und Evangelisationsaktivitäten ihren Anteil doch merklich vergrößern konnten. So hat etwa die sich als evangelikal verstehende Brüderkirche (Církev bratrská) seit der letzten Volkszählung 2001 wieder um 10 % zugelegt und inzwischen die Schwelle von 10 000 Gliedern überschritten. Auch die orthodoxen Christen nehmen – vor allem migrationsbedingt – in der Tschechischen Republik zu.
Die Volkszählungen sind aber vor allem auch ein Gradmesser für das Ansehen der Kirchen in der Gesellschaft. Nach der politischen Wende von 1989, als die Kirchen in der Tschechoslowakei ein überaus hohes Ansehen genossen, hatten etliche nur noch passive Kirchenmitglieder sich auf ihre kirchliche Herkunft besonnen. Das mittlerweile über 20 Jahre lang währende Tauziehen um die Rückgabe des im Sozialismus verstaatlichten Kircheneigentums hat dagegen das Image der Kirchen merklich negativ beeinflusst. Vor diesem Hintergrund ist vor allem eine Zahl aus der neuen Erhebung interessant: Über 700 000 Personen gaben an, sie seien zwar religiös, gehörten aber keiner organisierten Kirche an.
Dass allerdings nur noch etwas über die Hälfte der Befragten überhaupt eine Angabe zur Religionszugehörigkeit gemacht hat, mindert die Aussagekraft der neuen Zahlen jedoch ein wenig. Zudem verblüffte das Tschechische Statistikamt bei seiner Pressekonferenz die Journalisten mit der Feststellung, dass die am schnellsten wachsende Kirche die sich über das Internet ausbreitende «Religion» der Jedi-Ritter sei. Diese habe mit rund 15 000 Anhängern nicht nur die Zeugen Jehovas überholt, sondern auch deutlich mehr Anhänger als die meisten kleineren protestantischen Minderheitskirchen vorzuweisen.
Christof Lange, Prag