Ukraine: Gründung eines Komitees zur Versöhnung zwischen Ukrainern und Polen
Ukrainische Kirchenvertreter und Kulturschaffende haben anlässlich des 70. Jahrestages der sog. „Wolhynischen Tragödie“ ein Komitee zur „Versöhnung zwischen den Völkern“ gegründet,
das Ukrainer und Polen zu gegenseitigem Vergeben und zur Absage an Rache und Anklage aufruft. Zu den Mitgliedern des Komitees zählen u. a. der frühere ukrainische Präsident Leonid Kravtschuk, Patriarch Filaret (Denisenko), Oberhaupt der Ukrainischen Orthodoxen Kirche – Kiewer Patriarchat, sowie der emeritierte Großerzbischof der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, Ljubomir Kardinal Husar. Das Komitee stellte sich am 4. April der Öffentlichkeit vor und erklärte, „Vertreter der traditionellen ukrainischen Kirchen, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sowie Kulturschaffende haben sich zum Komitee ‚Versöhnung zwischen den Völkern‘ zusammengeschlossen, um ein gegenseitiges Verständnis zwischen den Ukrainern und anderen Völkern bei der Interpretation der schwierigen Seiten ihrer gemeinsamen Geschichte in die Wege zu leiten“.
Mit der „Wolhynischen Tragödie“ werden die Auseinandersetzungen zwischen Ukrainern und Polen – vor allem der Ukrainischen Aufstandsarmee (Ukrainska Povstanska Armija) und der Polnischen Heimatarmee (Armija Krajowa) – in Wolhynien und Ostgalizien bezeichnet, bei denen es auch zu Massakern an der Zivilbevölkerung der jeweils anderen Volksgruppe kam. Ihren Höhepunkt fanden die Massaker, denen Zehntausende auf beiden Seiten zum Opfer fielen, im Jahr 1943. Die Geschichte dieses Konflikts, der das Verhältnis zwischen beiden Ländern bis heute belastet, ist immer noch nicht vollständig aufgearbeitet, ebenso herrscht Unklarheit über die genauen Opferzahlen (s. RGOW 1/2013, S. 16–19). In Polen wird dieser Konflikt auf politischer Ebene gegenwärtig intensiv diskutiert.
Kardinal Husar rief Polen und Ukrainer zur gegenseitigen Vergebung auf: „Wir rufen Ukrainer und Polen auf, zu vergeben und um Vergebung zu bitten und alles zu tun, damit sich eine solche Tragödie niemals mehr wiederholt und beide Völker Gedanken und Wunsch teilen, in Frieden und in der Bereitschaft zur Vergebung zu leben.“ Laut Kravtschuk suchen extremistische Politiker in Polen und der Ukraine aus politischem Kalkül ständig nach Problemen, um sie dann auf die Spitze zu treiben. Das ukrainisch-polnische Verhältnis sei nicht ungetrübt, es gebe eine Reihe offener Fragen, deren Beantwortung aber Sache der Historiker sei. Heute müsse man in der Ukraine „in der Gegenwart leben, an die Zukunft denken und Lehren aus der Vergangenheit ziehen.“ Doch extremistische Politiker dürfe man nicht einfach gewähren lassen. Mit dem Komitee wolle man „auf Geschehnisse reagieren, die das ukrainisch-polnische Verhältnis belasten, damit sie nicht mehr vorkommen.“
Patriarch Filaret erklärte, die Kirche werde sich mit einem Aufruf zur Vergebung an die Gläubigen richten, und sie wünsche, dass vor allem jene ihn hörten, die bis heute „ungute Gefühle in ihren Herzen“ hegten. Die Kirche werde in allen Gotteshäusern Gedenkgottesdienste für die Opfer zelebrieren. Die Worte Christi zur Vergebung hätten für einen Glaubenden großes Gewicht, daher wolle die Kirche Ukrainer wie Polen zur Versöhnung aufrufen. Er hoffe, dass auch in Polen ein solches Komitee entstehe, damit man gemeinsam „zum Abbau der Spannungen in der ukrainischen und polnischen Gesellschaft beitragen“ könne, „die von Zeit zu Zeit wegen des Konflikts im Zweiten Weltkrieg entstehen“.
www.risu.ortg.ua, 4. April 2013 – O. S.