Ukraine: Papstaussage zur „weißen Fahne“ stößt auf heftige Kritik
Wieder einmal hat Papst Franziskus mit seinen Aussagen zum Krieg gegen die Ukraine große Aufregung ausgelöst und viel Kritik auf sich gezogen. Erneut forderte er auf missverständliche Weise Verhandlungen zur Beendigung des Kriegs, wobei er seinen Aufruf nur an die Ukraine richtete, nicht an den Aggressor Russland. Konkret sprach er in einem Interview mit dem schweizerischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender RTI vom „Mut, die weiße Fahne zu schwenken“, was von vielen als Aufforderung zur Kapitulation verstanden wurde.
Das Interview wurde bereits Anfang Februar aufgezeichnet, aber erst am 20. März ausgestrahlt. Die umstrittenen Passagen drangen jedoch vorab an die Öffentlichkeit. Das Bild der weißen Fahne brachte bereits der Interviewer ein, der fragte, was der Papst dazu meine, dass es in der Ukraine Stimmen gebe, die „den Mut zur Kapitulation, zur weißen Fahne fordern. Aber andere sagen, dass dies die Stärksten legitimieren würde“. Der Papst erwiderte: „Das ist eine Interpretationsweise. Aber ich denke, dass der stärker ist, der die Situation erkennt, der an das Volk denkt und den Mut hat, die weiße Flagge zu schwenken und zu verhandeln. Und heute kann man mit Hilfe der internationalen Mächte verhandeln. Das Wort ‚verhandeln‘ ist ein mutiges Wort. Wenn du siehst, dass du besiegt wirst, dass die Dinge nicht gut laufen, habt den Mut zu verhandeln. Du schämst dich, aber wenn du so weitermachst, wie viele Tote wird es dann geben? Verhandle rechtzeitig, suche ein Land, das vermittelt. Heute, zum Beispiel im Krieg in der Ukraine, gibt es viele, die vermitteln wollen. Die Türkei zum Beispiel … Schämt euch nicht, zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird.“
Diese Worte wurden vielfach als Aufforderung zur Kapitulation an die Ukraine aufgefasst. Matteo Bruni, der Direktor des vatikanischen Presseamts, betonte hingegen, dem Papst sei es vor allem um einen Waffenstillstand sowie den Mut zu Verhandeln gegangen. Er wünsche sich eine „diplomatische Lösung für einen gerechten und dauerhaften Frieden“, bei fast jedem öffentlichen Auftritt spreche er die schwierige Lage der ukrainischen Zivilbevölkerung an.
Aus der Ukraine berichtete der Apostolische Nuntius in der Ukraine, Visvaldas Kulbokas, es hätten tagelang Menschen in seiner Botschaft angerufen, um zu fragen, ob der Vatikan Geld von Russland bekomme, warum der Papst nicht in die Ukraine reise und Russland nicht zur Verantwortung ziehe. Kulbokas widersprach der Behauptung, der Papst sei prorussisch eingestellt, aber seine Aussagen hätten die Menschen in der Ukraine „verbittert“. Sie hätten die Äußerung als „Eingeständnis der Niederlage gelesen“, das belaste und demoralisiere sie, dabei bräuchte die Ukraine moralische Unterstützung. Der Vatikanbotschafter wurde auch vom ukrainischen Außenministerium einbestellt.
Der Ukrainische Rat der Kirchen und religiösen Organisationen erklärte in seinem Statement „kategorisch“, dass „niemand jemals unser Volk zur Kapitulation zwingen wird“. Die Ukraine sei standhaft und würde sie kapitulieren, würde das „Europa, vielleicht die ganze Welt, sofort spüren“, es wäre der „Triumph des Bösen über den ganzen Planeten“. Der Rat beteuerte, jeden Tag für Frieden zu beten. Aber sich der „Gnade dieses Feindes zu ergeben“, bedeute nicht Frieden, sondern den „Sieg der Sklaverei über die Freiheit, der Finsternis über das Licht, der Herrschaft des Gesetzes der Macht über die Kraft des Gesetzes“. Daher will der Rat auch weiterhin die gläubigen Kämpfer segnen sowie für den Sieg über den Feind und einen gerechten Frieden beten.
Auch der Hl. Synod der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche (UGKK) ging in einem Statement auf die Papstaussagen ein. Darin heißt es, die Ukrainer könnten sich nicht ergeben, weil das den Tod bedeute. Die Absichten der russischen Führung seien klar und 70 Prozent der Bevölkerung unterstützten den „genozidalen Krieg gegen die Ukraine“, ebenso der russische Patriarch Kirill und die Russische Orthodoxe Kirche. Die russischen Kriegsverbrechen in Butscha, Irpin und anderen Orten hätten den „klaren Zweck dieses Kriegs illustriert: die Ukraine und die Ukrainer zu eliminieren“. Daher kündigte der Hl. Synod an, die Ukrainer würden sich weiterhin verteidigen, sie hätten keine andere Wahl. Die jüngste Geschichte habe „demonstriert, dass es mit Putin keine echten Verhandlungen geben wird“. In Verhandlungen habe die Ukraine 1994 auf ihr Atomwaffenarsenal verzichtet und dafür Sicherheitsgarantien für ihre territoriale Integrität und Unabhängigkeit erhalten, unterzeichnet wurde das Memorandum auch von Russland. Es sei „das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben war,“ und so werde es mit jedem Abkommen sein, das mit Putins Russland „verhandelt“ werde, heißt es in dem Statement weiter.
In seiner Reaktion auf die päpstlichen Äußerungen dankte der ukrainische Präsident Volodymyr Zelenskyj allen ukrainischen Geistlichen, die in der Armee und den Sicherheitskräften dienten. Sie verteidigten an der Front das „Leben und die Menschlichkeit“ – so sei die Kirche mit den Menschen. Und nicht „zweieinhalbtausend Kilometer entfernt“, wo sie sich mit der „virtuellen Vermittlung zwischen denen, die leben wollen, und denen, die dich zerstören wollen, beschäftigt“. Er dankte allen, die das Leben schützten, „helfen und wirklich mit uns sind, mit Taten und Gebeten“. (NZ)