Ukraine: Patriarch Kirill feiert Gedenkgottesdienst in Tschernobyl
Beide Präsidenten legten auch den Grundstein für ein Denkmal, das den sogenannten Liquidatoren gewidmet ist – den Arbeitern, die eine Betonhülle um den havarierten Reaktor errichtet hatten. Die Elias-Kirche in Tschernobyl ist das einzige Gotteshaus in der verstrahlten Zone, in dem alljährlich Gedenkgottesdienste stattfinden. Landesweit wurde am 26. April in der Ukraine und in Russland in Gottesdiensten der Opfer von Tschernobyl gedacht.
Bereits in der Nacht zuvor hatten in Kiew mit 25 Glockenschlägen die Gedenkfeiern zum Jahrestag der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl begonnen: Genau 25 Jahre nach der Explosion des Atomreaktors um 01.23 Uhr zelebrierte Patriarch Kirill einen Totengottesdienst in der Erzengel-Michael-Kirche in Kiew. Das noch nicht fertiggestellte Gotteshaus ist Teil eines größeren Ensembles aus mehreren Kirchen zu Ehren der Opfer der Katastrophe sowie einem Mahnmal für die Liquidatoren. In seiner Predigt erklärte der Patriarch, vor 25 Jahren habe «eine Explosion den todbringenden Schoss des Reaktors freigelegt». Die Welt habe in Friedenszeiten keine Tschernobyl vergleichbare Katastrophe erlebt; der Menschen und Umwelt zugefügte Schaden sei vergleichbar mit dem Abwurf von 500 Atombomben auf Hiroshima. Niemand wisse, was geschehen wäre, wenn sich die Liquidatoren nicht engagiert hätten. Diese hätten «Gott das größte Geschenk dargebracht, das der Mensch ihm geben kann: ihr Leben, das sie für andere hingaben». An dem Gottesdienst nahmen 700 Menschen teil, darunter auch viele, die sich an der Beseitigung der Trümmer der Explosion beteiligt hatten. Anwesend waren auch das Oberhaupt der Ukrainischen Orthodoxen Kirche / Moskauer Patriarchat, Metropolit Volodymyr (Sabodan) von Kiew, und der ukrainische Ministerpräsident Mykola Asarov.
In einem Hirtenbrief zum Gedenken an das Reaktorunglück beklagte Patriarch Kirill, dass viele Menschen aus der Katastrophe von Tschernobyl keine Lehren gezogen hätten. Die Menschheit müsse die natürlichen Ressourcen mehr achten und dürfe diese nicht nur verbrauchen. «Ohne ein tiefes spirituelles Verständnis der Rolle der Menschen im Universum können solche Katastrophen nicht verhindert werden», so der Patriarch. Zugleich betonte er, es sei «weder möglich noch wünschenswert, die Entwicklung von Wissenschaft und Technik aufzuhalten ». Doch wissenschaftlicher und technischer Fortschritt müssten fest an ethische Normen, gegenseitigen Respekt und Liebe gekoppelt sein – darin liege das Unterpfand für eine würdige Zukunft.
Das neue Oberhaupt der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, Großerzbischof Svjatoslav Schevtschuk von Kiew-Halytsch (s. G2W 5/2011, S. 10f.), rief die Politik auf, ein «neues Tschernobyl » zu verhindern. Atomkatastrophen von Tschernobyl und jüngst im japanischen Fukushima zeigten, dass Unfälle in Kernkraftwerken nicht nur eine theoretische Gefahr seien. Sie könnten jederzeit Wirklichkeit werden. Eine große Gefahr gehe insbesondere vom brüchigen Schutzmantel um den havarierten Reaktor in Tschernobyl aus.
Am 26. April nahm Patriarch Kirill an einer von der Russischen und Ukrainischen Orthodoxen Kirche / Moskauer Patriarchat mitorganisierten Konferenz «Nach Tschernobyl: Gemeinsamer Schmerz, gemeinsame Sorge, gemeinsame Hoffnung» teil. In seiner Rede kritisierte er die fehlende soziale und materielle Unterstützung der überlebenden Liquidatoren: «Diese Menschen haben alles geopfert, einschließlich ihres Leben. Es wäre so wichtig, sie alle mit der ihnen gebührenden Zuwendung und Sorge zu umgeben.» Das Fehlen sozialer und materieller Unterstützung sei eine «absolute Ungerechtigkeit». Der Leiter der Organisation «Ukrainischer Tschernobyl-Bund», Jurij Andrejev, erklärte gegenüber der Presse, an den Aufräumarbeiten nach dem Reaktorunglück hätten 825 000 Personen aus der ganzen damaligen UdSSR teilgenommen, darunter 356 000 aus der Ukraine. Von diesen seien nur noch 219 000 am Leben.
www.interfax-religion.ru, 25., 26., 27. April; www.portal-credo.ru, 26. April; Kathpress, 26., 27. April 2011 – O.S.