Ukraine: Unheilige Gotteskrieger: „Russische orthodoxe Armee“ will „Neurussland“ befreien
Unter den Separatisten in der Ostukraine gibt es zahlreiche, die sich als dezidiert orthodox bezeichnen und ihren bewaffneten Kampf religiös verbrämen.
Als wichtigste Gruppierung gilt die sog. Russische orthodoxe Armee (Russkaja pravoslavnaja Armija, RPA). Die Ukrainische Orthodoxe Kirche–Moskauer Patriarchat (UOK–MP) hat sich allerdings klar von den selbst ernannten Gotteskriegern distanziert. „Die Russische Orthodoxe Kirche hat der RPA keinen Segen erteilt, für die Russische Welt (russkij mir) zu kämpfen“, erklärte Erzpriester Georgij Kovalenko, Leiter der Synodalen Informationsabteilung der UOK–MP, am 17. Juni. „Die Kirche verurteilt die sog. ‚politische Orthodoxie‘, die sich in ihrem Kampf für irdische Ziele religiöser Rhetorik und Symbolik bedient.“ Erzbischof Luka (Kovalenko) von Saporischja und Melitopol warnte in einem Hirtenbrief vor der RPA und erklärte, die Kirche verweigere ihren Segen für einen allfälligen Beitritt ihrer Gläubigen zu derartigen Verbänden.
Zum ersten Mal tauchte der Begriff RPA am 3. Mai auf, als bewaffnete und maskierte Vertreter in einer Videobotschaft vor der Fahne der selbsternannten Volksrepublik Donezk die Gefangennahme von Nikolaj Jakubovitsch verkündeten, einem Majdan-Kämpfer und Chef der Donezker Selbstverteidigung. Der wenig später Freigelassene bestätigte, dass die RPA ihn inhaftiert habe. In Donezk verfüge die RPA über 100 Aktivisten, mehrheitlich Ukrainer und frühere Militärs, die als Söldner in der russischen Armee in Tschetschenien und Transnistrien gekämpft hätten. Einige von ihnen trügen schwarze Kopfbinden mit aufgedruckten „heiligen Texten“, wie man sie von islamistischen Kämpfern kenne. Die RPA bezeichnet in sozialen Medien Dmitrij Bojzov als ihren Gründer, der im Frühjahr dieses Jahres als Anführer der Bewegung Orthodoxer Donbass bekannt wurde. Diese wirbt heute auf ihrer Webseite Freiwillige für die RPA an mit den Slogan: „Wir machen weiter, bis jede Stadt befreit ist!“
Das Nachrichtenportal nbcnews.com veröffentlichte am 16. Mai einen Bericht von Alina Kovaleva, die als erste Journalistin mit der RPA sprechen konnte. Sie schilderte die RPA als die durchorganisierteste der vielen Kampfgruppen vor Ort; ihre Waffenträger bezeichneten sich als religiös und begründeten ihren Krieg mit dem Gefühl der Niederlage und dem Verlust der Ehre nach dem Zusammenbruch der UdSSR und der Unabhängigkeit der Ukraine. Der heutige Kommandant der RPA, der 33-jährige Nikolaj Verin, habe ihr gesagt, die RPA sei nach dem Sieg des Euromajdan entstanden und zähle im Osten der Ukraine inzwischen 4000 Mann. Seine Männer konzentrierten sich auf Aufklärung, Erstürmung und Verteidigung von Gebäuden. Valentin Nalivajtschenko, der Chef des ukrainischen Inlandgeheimdienstes charakterisierte die RPA folgendermaßen: „Diese bewaffneten Einheiten … handeln aus ideologischen Beweggründen. […] Ihre Anführer und deren engstes Umfeld sind von der Ideologie des eurasischen Fundamentalismus groß gezogen und vergiftet worden. Das Gefährliche daran ist, dass sie u. a. auf einer neuen Welle von Orthodoxie beruht und als solche proklamiert wird – dem orthodoxen Fundamentalismus. In meinen Augen geht von ihm größte Gefahr aus, denn er hat sich in den Köpfen derer eingenistet, die diesen Krieg gegen die Ukraine führen, [Kämpfer] herschicken und ihn ideologisch untermauern.“
Neben der RPA gibt es noch zahlreiche weitere sog. „orthodoxe“ Kampftruppen in der Ostukraine, etwa der bewaffnete Flügel des Bundes orthodoxer Bürger. Dessen Webseite Einiges Vaterland (Edinoe otečestvo) vermerkte am 13. Juni, man habe in der ‚Volksrepublik Donezk‘ das Bataillon Orthodoxer Osten ins Leben gerufen, „zu dem orthodoxe Gläubige aus der gesamten ehemaligen Ukraine und vor allem aus Neurussland und dem kämpfenden Donbass zählen. […] Sie waren bereits im Kampfeinsatz, so am Flughafen von Donezk, wo einige verwundet wurden.“ Im Interview mit dem Fernsehsender Russia Today erklärte Valerij Kaurov, Chef des Bundes orthodoxer Bürger Neurusslands, sein Bataillon bestünde aus 300 Mann, verfüge über eine eigene Kaserne und werbe weitere Freiwillige an.
www.ng_religii.ru, 2. Juli 2014 – O. S.