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Ukraine: Venedig-Kommission bekräftigt Recht auf nicht-militärischen Ersatzdienst

09. April 2025

Auf Anfrage der Ukraine hat sich die Venedig-Kommission des Europarats zum Recht auf (nicht-militärischen) Ersatzdienst geäußert.

Das ukrainische Verfassungsgericht hatte im Dezember 2024 die Venedig-Kommission darum gebeten, den Stand der internationalen und europäischen Menschrechte mit Berücksichtigung des vergleichenden Verfassungsrechts bezüglich der Ablehnung des Militärdienstes aus Gewissensgründen darzulegen sowie zur Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen im Fall eines Verteidigungskriegs Stellung zu beziehen.

Im März hat die Venedig-Kommission an ihrer Vollversammlung eine Antwort verabschiedet, in der sie die Rechtsquellen, insbesondere die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II) vorstellt. Sie hält fest, dass die EMRK und der UNO-Pakt II das Recht auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen garantieren. Diese basiere auf religiösen oder anderen Überzeugungen, die eine „feste, dauerhafte und ehrliche Ablehnung jeder Beteiligung an Krieg oder des Tragens von Waffen“ beinhalten. Staaten dürften eine gewisse Bekräftigung für eine ehrliche Überzeugung verlangen. Gemäß der EMRK müssten Einschränkungen des Rechts auf Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen klar vom Gesetz gegeben sein, ein „legitimes Ziel verfolgen“ und strikt auf die Erfüllung des Ziels begrenzt und verhältnismäßig sein.

Abschließend hält die Venedig-Kommission fest, dass „die Natur der Militärdienstverweigerung aus Gewissensgründen nahelegt, dass sie zu Kriegszeiten nicht völlig ausgeschlossen werden kann, obwohl die Staaten einen begrenzten Ermessensspielraum haben, insbesondere im Fall einer Generalmobilmachung“. Allerdings vertritt die Kommission die Ansicht, dass „unter keinen Umständen ein Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen zum Tragen oder Verwenden von Waffen verpflichtet werden darf, nicht einmal zur Selbstverteidigung des Landes“.

In der Ukraine haben sich in der letzten Zeit Fälle von Militärdienstverweigerern aus Gewissensgründen gehäuft, die juristisch verfolgt werden. Unter den Betroffenen finden sich vor allem Baptisten, Pfingstler, Adventisten und Zeugen Jehovas. Offenbar wird ihnen bei der Mobilisierung die Möglichkeit zu einem alternativen Dienst verwehrt. Das Recht auf Zivildienst ist in der ukrainischen Verfassung festgeschrieben, wird aber von den Militärkommissariaten und Gerichten mit Blick auf den Kriegszustand nicht berücksichtigt. Besonders besorgniserregend finden laut der norwegischen Menschenrechtsorganisation Forum 18 die Zeugen Jehovas, dass Dienstverweigerer zunehmend wegen Verstößen gegen Art. 402, 4 des Strafgesetzes (Ungehorsam unter Kriegsrecht oder in einer Kampfsituation) angeklagt werden. Dieser betrifft Soldaten, die militärische Befehle missachten, bestraft werden sie mit fünf bis zehn Jahren Gefängnis. Die Angeklagten seien aber keine Soldaten, da sie den Dienst und den Schwur des militärischen Eids verweigern. Im Mai 2024 wurde ein Baptist aufgrund von Art. 402, 4 zu fünf Jahren Haft verurteilt. Sechs Zeugen Jehovas stehen laut Forum 18 wegen Verstößen gegen Art. 402, 4 vor Gericht, gegen sieben weitere würden entsprechende Anklagen vorbereitet. (NZ)

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