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Ungarn: Eklat um Entwurf zu neuem Kirchengesetz

27. Mai 2013

Der Bischof der Evangelisch-Reformierten Kirche, Gusztáv Bölcskei, hat am 25. April in einem öffentlichen Statement erklärt, dass er sich nicht mehr in der Lage sehe, an weiteren Verhandlungen über ein neues Kirchengesetz in Ungarn teilzunehmen.

Die jüngsten Vorschläge der Regierung beinhalteten „krasse Widersprüche“ und verfestigten „die Ungleichbehandlung“. Mitte März hatte die ungarische Regierung trotz heftiger Proteste im In- und Ausland die Verfassung geändert, wodurch die Kompetenzen des Verfassungsgerichts beschnitten und mehrere vom Verfassungsgerichtshof gekippte Gesetze in den Verfassungsrang gehoben worden waren, darunter die staatliche Anerkennung der Religionsgemeinschaften durch das Parlament. Innerhalb der anerkannten Kirchen wurde das Vorgehen der Regierung stark diskutiert.

Ende Februar hatte das Verfassungsgericht das Kirchengesetz (s. RGOW 3/2012, S. 6 f.) bereits zum zweiten Mal seit 2011 außer Kraft gesetzt. Die Richter begründeten ihr Urteil damit, dass das vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit angenommene Gesetz den um Anerkennung ansuchenden Glaubensgemeinschaften den Weg versperre, gegen einen Beschluss in Berufung zu gehen. Denn den Gemeinschaften werde nicht mitgeteilt, warum sie den Status „staatlich anerkannte Religionsgemeinschaft“ nicht erhielten; folglich könnten sie auch das Urteil nicht anfechten.

Die Status-Zuerkennung bleibt – auch im aktuellen Gesetzesentwurf – immer eine politische Entscheidung der Volksvertreter. Laut Gesetz wird sie im Parlament entschieden. Eine Novellierung zum Kirchengesetz wurde vor kurzem von Kultusminister Zoltán Balog im Parlament eingereicht. Demnach könne eine Glaubensgemeinschaft zur sog. „etablierten Kirche“ erklärt werden, wenn sie mindestens auf eine einhundertjährige internationale Tätigkeit verweisen könne oder in Ungarn seit 20 Jahren organisiert und tätig sei. Die Mindestzahl ihrer Mitglieder müsse mindestens 10 000 Gläubige betragen. Neu in der Modifizierung sei, dass Religionsgemeinschaften künftig bei Gericht registriert würden, wenn auch die Anerkennung der „etablierten Kirchen“ nach wie vor zur Kompetenz des Parlaments gehöre.

Experten kritisieren, die Regierung habe zwar einige Minen entfernt, aber dafür neue gelegt. So sei z. B. offen, woher der Staat exakt wissen könne, wie viele Angehörige die jeweilige Kirche habe, wo doch diesbezügliche Angaben unter strengen Datenschutz fielen und demzufolge die Gemeinschaften nicht verpflichtet werden könnten, diese Listen zu veröffentlichen. Auch die willkürliche Einstufung der Glaubensgemeinschaften gilt als überaus problematisch. Im Februar hatte der für Kirchen zuständige Stellvertretende Staatssekretär György Hölvenyi zwar noch erklärt, der Staat respektiere „die volle Autonomie der Kirchen und Religionsvereine“. Ganz im Gegensatz dazu steht laut Kritikern allerdings die Erwartung seitens der Regierung, dass die Kirchen bereit sein müssen, „im Interesse gemeinschaftlicher Ziele“ mit dem Staat zu kooperieren. Der Verfassungsrechtler Dániel Karsai hält das für eine Absurdität. Denn damit könne die Regierung nach Belieben jeder Organisation den kirchlichen Status aberkennen.

Auch die UN-Menschenrechtskommission hat vor kurzem die Verfassungsänderungen in Ungarn scharf kritisiert. Die Maßnahmen seien ein Schlag gegen die Unabhängigkeit des Justizsystems des Landes, erklärte deren Sprecher Rupert Colville in Genf. Die Änderungen seien ohne angemessene öffentliche Diskussion erfolgt, die Inhalte könnten „tiefgreifende Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Menschenrechte durch das ungarische Volk“ nach sich ziehen. Bedroht seien „die Unabhängigkeit der Justiz, die Autorität und Rechtsprechung des Verfassungsgerichts“ und „der Rechtsstaat an sich“.

Kathpress, 26. April 2013.

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