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Ungarn: Jüdische und christliche Repräsentanten besorgt über rechtsextremistische «Jobbik»

22. Mai 2012

Vertreter des Judentums und der christlichen Kirchen haben sich besorgt über die antisemitische Polemik der rechtsextremen «Jobbik»-Partei geäußert.

Eine gegen Juden gerichtete Parlamentsrede des «Jobbik»-Abgeordneten Zsolt Barath wurde vom Erzbischof von Esztergom-Budapest, Péter Kardinal Erdő, dem reformierten Bischof Gusztáv Bölcskei sowie dem lutherischen Bischof Péter Gáncs zurückgewiesen. In einem AP-Interview sagte der Budapester Rabbiner Shlomo Köves, was sich ak- tuell an offenem Antisemitismus im Lande ereigne, sei «ohne Beispiel in den vergangen 20 Jahren der Demokratie». Es sei «schlimmer als in jedem anderen europäischen Land».

Der «Jobbik»-Abgeordnete Barath hatte in einer Wortmeldung im Parlament kurz vor Ostern den Fall eines angeblichen Ritualmords, der sich zum Pessachfest vor 130 Jahren ereignet haben soll, als historisch bezeichnet. Dabei handelte es sich um die sog. «Affäre von Tiszaeszlár». Im Jahre 1882 wurden die Juden von Tiszaeszlár beschuldigt, an einem jungen christlichen Mädchen einen Ritualmord begangen zu haben. Die da- maligen progressiven politischen Kreise Ungarns protestierten heftig gegen die Anklage. Der Fall, der die ungarischen Juden zum Sündenbock machte, fand in ganz Europa einen großen Widerhall. Barath wiederholte die damaligen An- klagepunkte gegen jüdische Einwohner von Tiszaeszlár. Nach den Worten des Abgeordneten hätten Juden das Mädchen ermordet, aber die Justiz sei be- müht gewesen, die Wahrheit zu verschleiern. Der Richter wäre gezwungen gewesen, auf Druck von Außen, d. h. «auf Druck von jenen Kreisen, die die unga- rische Wirtschaft auch schon damals fest in der Hand hatten», die Beschuldigten freizusprechen.

Die Bischöfe verurteilten «die schamlose Wiederaufwärmung der Ritualmord-Beschuldigung von Tiszaeszlár»: «Der christliche Glaube und die christ- liche Liebe zum Mitmenschen lässt sich unter keinen Umständen mit Antisemitismus sowie Schüren von Hass gegen religiöse Gemeinschaften und Volksgruppen vereinbaren. Uns beunruhigt besonders, dass es zu dieser Hassrede im Parlament gekommen ist.» Im Namen der Regierung reagierte Staatssekretär Janos Fonagy. Er sagte, mit der Äußerung habe sich «Jobbik» dorthin bewegt, «wohin die Partei nach Meinung vieler gehört». Er fügte hinzu, dass der Abgeordnete und diejenigen, die ihm Beifall spendeten, «mit dem Urteil der ungarischen Gesellschaft und der Welt rechnen» müssten.

Seit den Wahlen 2010 ist «Jobbik» mit insgesamt 47 Mandaten die drittstärkste Partei im ungarischen Parlament.

Kathpress, 25. April 2012.

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