Ungarn: Neues Religionsgesetz verabschiedet
Zu den anerkannten «traditionellen» Glaubensgemeinschaften zählen u. a. die römische-katholische, die reformierte, die lutherische und die Serbische Orthodoxe Kirche, Baptisten und Unitarier, drei jüdische Glaubensgemeinschaften sowie die 1979 gegründete «Gemeinde des Glaubens » (Hit Gyülekezete), die auf eine pfingstlich-charismatische Bewegung zurückgeht.
Für alle anderen bisher registrierten Religionsgemeinschaften schreibt das Religionsgesetz, das am 1. Januar 2012 in Kraft treten soll, ein neues Prozedere zur Erlangung des Rechtsstatus vor: Voraussetzung zur gesetzlichen Anerkennung, über die in Zukunft auf Antrag des zuständigen Ministers das ungarische Parlament mit Zweidrittelmehrheit entscheiden wird, ist das Vorhandensein einer Gemeinschaft, die sich in erster Linie religiös betätigt und seit mindestens 20 Jahren existiert. Der religiöse Charakter muss durch ein Glaubensbekenntnis und durch einen entsprechenden Ritus gegeben sein. Bedingung ist zudem, dass die Gemeinschaft weder eine Gefahr für «Moral und menschliche Würde» darstellt noch die Gesetze sowie die Rechte und Freiheiten anderer verletzt.
Neben Fragen der Registrierung schreibt das neue Religionsgesetz auch den Rahmen vor, in dem der Staat zum Wohle öffentlicher Ziele mit den rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften zusammenarbeiten kann. So garantiert das Gesetz, dass die Religionsgemeinschaften in staatlichen Erziehungs- und Bildungseinrichtungen – je nach Bedarf seitens der Schüler und Eltern – Religionsunterricht erteilen können. Die Finanzierung des Religionsunterrichts wird vom Staat übernommen, während die Religionsgemeinschaften die Religionslehrer stellen.
In der ungarischen Öffentlichkeit ist das neue Religionsgesetz auf teilweise heftige Kritik gestoßen: Mehrere namhafte ehemalige ungarische Dissidenten wandten sich in einem offenen Brief an die EU und den Europarat, in dem sie eine Verletzung der Glaubensfreiheit und des Gleichheitsgrundsatzes durch das Religionsgesetz kritisierten. Zudem beschworen sie die Gefahr einer «sozialen Katastrophe», da mit der Aberkennung des rechtlichen Status vieler bisher registrierter Religionsgemeinschaften eine Streichung der religiösen Sozialhilfe drohe. Die Aberkennung des offiziellen Status bedeutet nämlich für diese den Entzug der bisherigen finanziellen Unterstützung durch den Staat, aber auch durch Private, die – sofern sie das wünschen – den registrierten Religionsgemeinschaften ein Prozent ihrer Einkommenssteuer zukommen lassen können (s. G2W 9/2010, S. 22-25).
NZZ, 18. August; www.protestantnews. eu/hungary/11118, 24. August; APD Informationen August 2011 – S.K.