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Ungarn: Reaktionen auf das neue ungarische Religionsgesetz

16. Februar 2012
Das neue ungarische Religionsgesetz ist bei kirchlichen Vertretern auf Zuspruch wie auf Kritik gestoßen.

Der Budapester Weihbischof János Székely betonte, Ziel des neuen Gesetzes sei es, «den sog. Business-Kirchen den Status einer echten Kirche zu verbieten». Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Staaten würden in Ungarn die Sozial-, Bildung- und Gesundheitsinstitutionen vom Staat genauso finanziert wie die staatlichen. Deshalb seien «Pseudo-Kirchen» entstanden, deren Hauptziel die staatliche Unterstützung gewesen sei.

Bischof Székely räumte zwar auch Fehler des Parlaments und der Regierung ein, etwa beim Mediengesetz (s. G2W 3/2011, S. 22-23); diese Fehler seien jedoch später wieder geändert worden. Gleichzeitig beklagte er eine Welle ungerechtfertigter internationaler Medienangriffe gegen Ungarn, deren Gründe vor allem darin lägen, dass sich die neue ungarische Verfassung «für solche grundlegende Menschenwerte einsetzt, die viele lieber ruinieren möchten». Konkret nannte der Bischof bei den von der Kirche mitinitiierten Formulierungen in der neuen Verfassung den Gottesbezug in der Präambel sowie den Schutz des ungeborenen Lebens, der heterosexuellen Ehe und der Familie im Grundrechtekatalog der Verfassung.

Kritischer zum neuen Religionsgesetzt äußerte sich der Bischof der Evangelisch- Lutherischen Kirche in Ungarn, Tamás Fabiny: Einerseits wies er zwar auf Missstände der alten rechtlichen Regelung hin: «Bisher war die Regelung zu liberal und führte zu erheblichem Missbrauch. Wenn man 100 Leute zusammenbekam, konnte man schon eine Kirche gründen. Die finanzielle Unterstützung […], die den Kirchen zuteil wurde, war attraktiv. So lief beispielsweise ein Tierheim offiziell unter dem Begriff ‹Kirche›». Andererseits sei jedoch das neue Gesetz in ein anderes Extrem verfallen, da nun das Parlament berechtigt sei, über den Eintrag von Kirchen zu entscheiden, wodurch «die ganze Sache unvermeidlich durchpolitisiert » werde.

Nach Ansicht des Religionswissenschaftlers Andras Mate-Toth prägen derzeit «Chaos und Hysterie» die Stimmung in Ungarn. Wie der römisch-katholische Theologe von der Universität Szeged erklärte, diktiere die Regierungskoalition aus Fidesz und christdemokratischer KDNP ein ungesundes Tempo. Zusätzlich sei die Stimmung durch die Medien «hysterisiert». Zugleich räumte er ein, dass der Eindruck, wonach die von Viktor Orbán angeführte Regierung «etwas autistisch» agiere, nicht von der Hand zu weisen sei.

Zur Rolle der Kirchen sagte der Theologe, die katholische Hierarchie habe ihre «Position zur lautlosen Befürwortung der Regierungspolitik gewechselt ». Die protestantischen Kleinkirchen dagegen seien enttäuscht und äußerten sich zum Teil sehr kritisch. Den Religionsgemeinschaften, vor allem den großen Kirchen, kommt laut Mate-Toth «die prophetische Aufgabe zu, sich auf die Seite der Verlierer der Umstrukturierung zu stellen und auch deutliche Worte für die Bewahrung der Freiheit und Menschenrechte zu sagen». Leider hätten sie diese Haltung «noch nicht eingenommen ». Das könne dazu führen, dass der Vertrauensverlust gegenüber der Regierung auch die Kirchen trifft.

Der an der Universität Münster lehrende Religionssoziologen Gergely Lászlá Rosta erklärte, die momentane Stimmung in Ungarn mache es immer schwerer, «die internationale Kritik als unberechtigt darzustellen, auch wenn die Regierung eindeutig diese Meinung vertritt ». Bestimmte Maßnahmen der Regierung können nach Ansicht Rostas «eindeutig als Begrenzung der demokratischen Verfasstheit in Ungarn verstanden werden». Als Beispiel nannte Rosta die Ausweitung des Regierungseinflusses auf die Justiz und die Neuordnung der Wahlbezirke, die einen Machterhalt der Konservativen begünstige.

Wie Mate-Toth beklagte auch Rosta, dass die Stimme der katholischen Kirche «in politischen Fragen wenig zu hören» sei. Dies führte er auf die traditionelle Verbundenheit der Kirche mit den konservativen Kräften zurück. «Die acht Jahre währende sozialistisch-liberale Regierung zwischen 2002 und 2010 gab auch wenig Grund, an dieser grundsätzlichen Einstellung etwas zu ändern», so Rosta. Als Beispiel für die offiziell politikdistanzierte Haltung der Kirche nannte Rosta auch das neue Religionsgesetz: «Mir ist keine offizielle Reaktion der katholischen Kirche auf die offensichtliche Benachteiligung nicht-christlicher Weltreligionen und Kleinkirchen bekannt.»

Kathpress, 9., 10., 13. Januar; www.protestantnews.eu/hungary/14151, 18. Januar 2012 – R.Z.

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