Zum Hauptinhalt springen

Ungarn: Ungarische „Kleinkirchen“ wollen erneut in Straßburg klagen

09. September 2015

Mehrere kleinere Kirchen und Religionsgemeinschaften, die durch das 2012 in Kraft getretene ungarische Kirchengesetz (s. RGOW 3/2012, S.6f.) ihre staatliche Anerkennung verloren haben, wollen erneut vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg ziehen. Hintergrund ist der anhaltende Streit mit der ungarischen Regierung über Schadensersatzzahlungen sowie die vom EGMR und auch dem ungarischen Verfassungsgerichtshof angemahnte Novellierung des umstrittenen Gesetzes (s. RGOW 6/2013, S.8).

Die Straßburger Richter hatten Ungarn bereits im Vorjahr wegen Verletzung der Religionsfreiheit verurteilt und eine von Budapest eingereichte Revision abgewiesen. Der EGMR legte in seinem Urteil auch einen Schadensersatz fest, den der ungarische Staat den „Kleinkirchen“ zahlen muss. Die Höhe der Summe wurde nicht näher definiert, sondern nur, dass die Regierung und die 16 betroffenen christlichen, buddhistischen und israelitischen Religionsgemeinschaften innerhalb von sechs Monaten zu einer Einigung kommen müssen.

Kirchenstaatsekretär Miklós Soltész erklärte gegenüber der regierungsnahen Tageszeitung Napi Gazdaság, dass die Regierung mit acht „Kleinkirchen“ eine Vereinbarung erreicht habe, während mit den anderen die Verhandlungen noch liefen. Ungarische Medien spekulieren, dass sich die Gesamtsumme der Entschädigungszahlungen zwischen 3 und 20 Milliarden Forint (9,6 Mio. bis 64 Mio. Euro) beläuft.

Gábor Iványi, leitender Pastor der methodistischen Gemeinschaft Magyarországi Evangéliumi Testvérközösség, betonte gegenüber der Tageszeitung Népszabadság, es gehe nicht nur um die durch den Wegfall der Anerkennung unterbliebenen finanziellen Förderungen durch den Staat in Höhe von 2,2 Milliarden Forint. Im Fokus stehe vielmehr die rechtliche Gleichstellung mit den etablierten Kirchen. Trotz Erfüllung der strengeren neuen Vorschriften des Kirchengesetzes hätten die kleinen Kirchen und Religionsgemeinschaften ihren früheren staatlichen Anerkennungsstatus nicht zurückbekommen. Dies werde man nicht hinnehmen und deshalb erneut in Straßburg klagen.

Erst Anfang Juli hatte der Verfassungsgerichtshof in Budapest bestätigt, dass das Kirchengesetz teilweise im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtskonvention steht. Die Richter gaben den Gesetzgebern eine Frist von drei Monaten für eine Novellierung der beanstandeten Paragrafen. Das Urteil orientiert sich am vorangegangenen Spruch der EGMR-Richter. Diese hatten insbesondere moniert, dass seit Inkrafttreten des neuen Gesetzes das Parlament über die staatliche Anerkennung von Kirchen abstimmt, anstatt diese Entscheidung Behörden und unabhängigen Gerichten zu überlassen.

Kathpress, 28. Juli 2015.

Drucken