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Weißrussland: Orthodoxe Kirche äußert sich zur Todesstrafe

19. Januar 2012
Der Pressedienst der Weißrussischen Orthodoxen Kirche – Moskauer Patriarchat hat Mitte Dezember auf Anfragen von zahlreichen Gläubigen eine kirchliche Stellungnahme zur Todesstrafe veröffentlicht:

Zwar enthalte die orthodoxe Lehre keine festen Richtlinien zum Problem der Todesstrafe, doch unter dem Einfluss des Evangeliums ändere sich die öffentliche Meinung darüber. Der Nutzen der Todesstrafe werde zunehmend infrage gestellt und eine Diskussion über deren Abschaffung sei in Gang. Auf eine Aufhebung der Todesstrafe könne die Kirche allerdings nicht insistieren – zumal in einem Land, in dem die meisten Menschen sie ausdrücklich befürworteten. Der Kirche stehe es jedoch frei, in bestimmten Fällen Fürsprache für einen zur Höchststrafe Verurteilten einzulegen. Die Kirche bezeuge die Werte des Evangeliums, mische sich dabei jedoch nicht in die Kompetenzen der judikativen und exekutiven Gewalt ein.

Viele Gläubige hatten sich nach der Verurteilung von Vladislav Kovalev und Dmitrij Konovalov an die Eparchie Minsk gewandt. Die beiden waren im Dezember des Terroranschlags auf die Minsker Metro im April 2011 für schuldig befunden und zum Tode verurteilt worden. Der Anschlag kostete 15 Menschen das Leben, gegen 300 wurden verletzt. Bürgerrechtler hatten auf Fehler bei der Beweisaufnahme hingewiesen und begründete Zweifel an der Untersuchung durch Polizei und Staatsanwaltschaft geäußert.

Der römisch-katholische Erzbischof von Minsk, Tadeusz Kondrusiewicz, hat Präsident Lukaschenko persönlich darum gebeten, ein Moratorium auf die Todesstrafe einzuführen, alle zum Tode Verurteilten zu begnadigen und deren Urteil in lebenslange Haftstrafen umzuwandeln. Mehr als 250 000 Menschen aus aller Welt haben mittlerweile eine von der weißrussischen Bürgerrechtsbewegung Vesna (Frühling), dem Weißrussischen Helsinki-Komitee sowie Amnesty International initiierten Petition zur Aussetzung der Todesstrafe in Weißrussland unterzeichnet. Den Menschenrechtsorganisationen wurde jedoch die Eingabe der Petition an Präsident Lukaschenko verweigert. Lukaschenko erklärte, er habe noch nicht entschieden, wie mit den «Minsker Terroristen» zu verfahren sei. Bisher habe er weder einen Gnadenerlass noch eine Hinrichtungsverordnung unterzeichnet.

Weißrussland ist das einzige Land in Europa, in dem die Todesstrafe vollstreckt wird, wobei die Verurteilten durch Genickschuss hingerichtet werden. Das Oberhaupt der Weißrussischen Orthodoxen Kirche, Metropolit Filaret (Vachromejev), hatte bereits 1996 während des Referendums zur Abschaffung der Todesstrafe nachdrücklich für deren Aufhebung plädiert. www.portal-credo.ru, 14. Dezember; Informationsdienst William Yoder, 15. Dezember; www.pravmir.ru, 21. Dezember 2011 – O.S.

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