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Religionen in Südosteuropa

G2W-Jahrestagung 2011 in Kooperation mit der Schweizerischen Osteuropabibliothek.

11. Mai 2011, 18:30 Uhr
Universität Bern, Hauptgebäude: Kuppelraum
Hochschulstr. 4, 3012 Bern

Flyer

Programm

18:00 Uhr Apéro
18:30 Uhr Abendveranstaltung zum Thema: Religionen in Südosteuropa - Konfliktpotenzial und Brückenfunktion

Referentinnen

PD Dr. Klaus Buchenau, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Internationalen Graduiertenkolleg «Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts» der Ludwig-Maximilians-Universität München
Frano Prcela OP, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des «Instituts M.- Dominique Chenu» (Espaces Berlin)
Caroline Tissot, Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA)
Vassil Vassilev, Schweizerische Osteuropabibliothek

Tagungsbericht

Am 11. Mai fand in der Universität Bern die Jahrestagung des Instituts G2W statt. Im Anschluss an die ordentliche Mitgliederversammlung, an der die neue Institutsleiterin von G2W, Rahel Černá-Willi, ihre Pläne zur zukünftigen Ausrichtung des Instituts vorstellte, veranstaltete das Institut in Kooperation mit der Schweizerischen Osteuropabibliothek eine öffentliche Abendveranstaltung zum Thema "Religionen in Südosteuropa: Konfliktpotenzial und Brückenfunktion".

Dr. Klaus Buchenau, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Internationalen Graduiertenkolleg «Religiöse Kulturen im Europa des 19. und 20. Jahrhunderts» der Ludwig-Maximilians-Universität München, hielt ein kurzes Einführungsreferat, in dem er fünf «Provokationen» zur Diskussion stellte: Erstens kritisierte er die Vorstellung einer ‹an sich› friedlichen bzw. unfriedlichen Religion. Zweitens formulierte er Zweifel an der Sinnhaftigkeit religiöser Diplomatie, wie sie beispielsweise von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) oder der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) während der jugoslawischen Zerfallskriege initiiert worden war. Konterkariert wurde die religiöse Diplomatie nach Ansicht von Buchenau vor allem durch das «double speech» der religiösen Eliten vor Ort – gegenüber ihren ausländischen Gesprächspartnern sprachen sie von der Notwendigkeit von Frieden und Versöhnung, gegenüber den eigenen Gläubigen betonten sie dagegen die eigene Opferrolle. Drittens äußerte sich Buchenau skeptisch zu der Hoffnung, dass man von Glaubensgemeinschaften eine Stärkung säkularer Demokratien erwarten könne, da die religiösen Sinn- und Orientierungsangebote niemals gänzlich modernitätskonform seien. Viertens kritisierte er die übertriebenen Vorstellungen westeuropäischer Stiftungen über ihre eigene Wichtigkeit in Südosteuropa: Vor allem konservative Stiftungen kooperierten zwar mit den hiesigen Kirchen und bemühten sich um den Aufbau christdemokratischer Parteien, doch allzu oft würden sie dabei die Eigeninteressen der Kirchen übersehen – letzteren ginge es häufig nicht um ein bestimmte inhaltliche Agenda, sondern um den Zugang zu materiellen Ressourcen. Fünftens zog Buchenau die Erwartung in Zweifel, dass historische Forschung zerstrittene Kollektive zur Versöhnung führe, da sich Glaube und historische Rekonstruktion nur bedingt vertrügen.

Buchenaus «Provokationen» stießen bei den Podiumsteilnehmenden auf lebhaftes Echo und lösten eine spannende Debatte aus. An der Podiumsdiskussion nahmen neben Klaus Buchenau der Dominikaner Frano Prcela, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des «Instituts M.- Dominique Chenu» (Espaces Berlin), Caroline Tissot vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und Vassil Vassilev von der Schweizerischen Osteuropabibliothek teil. Das Gespräch drehte sich vor allem um die Rolle der religiösen Eliten in Südosteuropa; hervorgehoben wurde dabei, dass nicht nur die religiösen, sondern auch die säkularen Eliten sich eines «double speech» befleißigten. Zudem wurden Chancen und Schwierigkeiten bei der Einbindung religiöser Akteure in Friedensprozesse diskutiert.

Stefan Kube