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Ökumene vor Herausforderungen

G2W-Jahrestagung 2012 in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Kirchentwicklung (ZKE) der Theologischen Fakultät der Universität Zürich.

Montag, 23. April 2012
Theologisches Seminar der Universität Zürich
Kirchgasse 9, 8001 Zürich

 Flyer (pdf, 702 kb)

Programm

16.00 Uhr Öffentliche Mitgliederversammlung
17.30 Uhr Apéro
18.30 Uhr Abendveranstaltung zum Thema: Ökumene vor neuen Herausforderungen

Referentinnen

Dr. Dagmar Heller, Referentin für Glauben und Kirchenverfassung beim Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf
Prof. Dr. Guido Vergauwen, Präsident der Ökumenekommission der Schweizer Bischofskonferenz
Dr. Evgeny Pilipenko, Dozent an der Gesamtkirchlichen Aspirantur in Moskau

Alle Vorträge wurden in der Juli/August-Nummer 2012 von RGOW veröffentlicht.

Tagungsbericht

Am 23. April fand an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich die Jahrestagung von G2W statt. Im Anschluss an die ordentliche Mitgliederversammlung, an der der Vorstand und die Mitarbeitenden über die Entwicklung des Instituts, seiner Zeitschrift und der Projektarbeit in Russland berichteten, veranstaltete das Institut in Kooperation mit dem Zentrum für Kirchenentwicklung eine öffentliche Abendveranstaltung zum Thema «Ökumene vor neuen Herausforderungen».

In ihrem Einführungsvortrag «Fels oder Sand? Was sind die derzeitigen Herausforderungen an die ökumenische Bewegung?» ging Dagmar Heller, Referentin für Glauben und Kirchenver- fassung beim Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) in Genf, auf die veränderte Lage der Kirchen im Vergleich zur Si- tuation 1948 bei Gründung des ÖRK ein: Zum einen sei die ökumenische Bewegung sehr viel bunter geworden, so dass sich auch der ÖRK von einem europäisch-nordamerikanischen anglikanisch protestantisch dominierten Organ zu einem weltweiten Zusammenschluss mit Beteiligung der orthodoxen Kirchen und der zahlreichen jungen Kirchen aus dem globalen Süden gewandelt habe. Zum anderen hätten die politischen und sozialen Veränderungen (Ende der Kolonialzeit, Öffnung des Eisernen Vorhangs, Globalisierung, etc.) dazu geführt, dass in der heutigen globalisierten Welt die Kirchen auf neue Art und Weise herausgefordert seien, in den Dialog zu treten, wenn sie nicht irrelevant für die Gesellschaft werden wollen.

Nach dieser Situationsanalyse ging Heller auf einzelne neue Herausforderungen ein: Angesichts des religiös pluralistischen Umfelds stünden die Kirchen vor der Frage nach einer Klärung des christlichen Selbstverständnisses, denn von anderen Religions- gemeinschaften würden sie in erster Linie als Christen und nicht als Protestanten, Katholiken, Orthodoxe, etc. wahrgenommen. Mit Blick auf viele neue Kirchen im globalen Süden betonte Heller, dass sich die traditionellen Kirchen viel stärker mit einer pfingstlerisch geprägten Spiritualität und Theologie auseinandersetzen müssen. Zudem konstatierte sie, dass in Zukunft die Trennungslinien nicht mehr so sehr anhand der klassischen theologischen Fragen (Abendmahlsfrage und gegenseitige Zulassung zur Eucharistie, etc.) verlaufen könnten, sondern vielmehr anhand von moralisch-ethischen Fragen – sowohl innerkirchlich als auch zwischenkirchlich. Die vielfältigen neuen Herausforderungen verlangen daher nach neuen Methoden, so sei laut Heller das bisherige ökumenische Verfahren der Konvergenz bzw. des Konsenses zu überprüfen.
Auf den Vortrag von Dagmar Heller reagierten Prof. Guido Vergauwen, Präsident der Ökumene-Kommission der Schweizer Bischofskonferenz, und Ev- geny Pilipenko, Dozent an der Gesamt- kirchlichen Aspirantur des Moskauer Patriarchats, mit zwei kurzen Stellungnahmen. Vergauwen hob hervor, dass es die Ostkirchen als Gesprächspartner im Horizont der europäischen Einigung ernst zu nehmen und sie besser zu integrieren gilt; zudem gelte es die Selbstgenügsamkeit der Kirchenleitungen zu überwinden, um ein gemeinsames kirchliches Handeln einzuüben, das mehr sei als eine strategische Allianz. Mit Blick auf die Orthodoxie wies Pilipenko selbstkritisch daraufhin, dass es an der Zeit sei, dass sich die Orthodoxe Kirche nicht nur mit der Patristik, sondern auch mit der Neuzeit und Moderne beschäftige. Er rief zu neuen Visionen in der ökumenischen Bewegung auf, denn letztlich könne sich die kirchliche Einheit nicht in einer Rückkehr zu den Gemeinsamkeiten im ersten christlichen Jahrtausend erschöpfen. An die drei Vorträge, die in der Juli-August- Ausgabe publiziert werden, schloss sich eine lebhafte Podiumsdiskussion an.

Stefan Kube