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Zivilgesellschaft in Russland

G2W-Jahrestagung 2013 in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Osteuropäische Geschichte der Universität Zürich.

Donnerstag, 25. April 2013, 16:00 – 20:30 Uhr
Kollegiengebäude 2 der Universität Zürich
Karl-Schmid-Str. 4, 8006 Zürich

Flyer (pdf 207kb)

Programm
16:00 Uhr Öffentliche Mitgliederversammlung
17:30 Uhr Apéro
18:30 Uhr Abendveranstaltung zum Thema: Zivilgesellschaft in Russland am Beispiel der Soldatenmütter
 
Referentinnen
Ella Poljakova, Leiterin der „Soldatenmütter von St. Petersburg“
Elena Popova, Mitarbeiterin der Soldatenmütter,
PD Dr. Carmen Scheide, Geschäftsführerin des Center for Governance and Culture in Europe der Universität St. Gallen
Heidi Grau, Diplomatin (angefragt)
Moderation: Prof. Dr. Jeronim Perović, Historisches Seminar der Universität Zürich
 
Pressebericht
Am 26. April waren die "Soldatenmütter von St. Petersburg" zusätzlich in Basel zu Gast (Fachbereich Osteuropa der Universität Basel):

Tagungsbericht
Am 25. April fand an der Universität Zürich die Jahrestagung von G2W statt. Im Anschluss an die ordentliche Mitgliederversammlung, an der der Vorstand und die Mitarbeitenden über die Entwicklung des Instituts, seiner Zeitschrift und der Projektarbeit Auskunft gaben, veranstaltete das Institut in Kooperation mit der Abteilung für Osteuropäische Geschichte der Universität Zürich und dem Center for Governance and Culture in Europe an der Universität St. Gallen eine öffentliche Abendveranstaltung zum Thema „Zivilgesellschaft in Russland am Beispiel der Soldatenmütter“. Als Hauptreferentinnen waren dazu die Leiterin der NGO „Soldatenmütter von St. Petersburg“, Ella Poljakova, und ihre Mitarbeiterin Elena Popova eingeladen.

Die „Soldatenmütter von St. Petersburg“, eine der führenden und bekanntesten Menschenrechtsinitiativen in Russland, zählen seit 2004 zu den Projektpartnern von G2W. In ihrem Einführungsvortrag „Die NGO ‚Soldatenmütter von St. Petersburg‘ – Einblicke in die Praxis“ berichteten Ella Poljakova und Elena Popova von der Entstehung der Organisation im Kontext von Perestroika und dem Entstehen einer Bürgerrechtsbewegung Anfang 1990er Jahre. Anhand eindrücklicher Beispiele schilderten sie, wie sich die Organisation für die Rechte von Wehrdienstleistenden und Stellungspflichtigen in Russland einsetzt. Jedes Jahr beraten und betreuen die „Soldatenmütter von St. Petersburg“ rund 10 000 Soldaten, deren Menschenrechte verletzt worden sind. Die Vorfälle reichen dabei von Erpressung bis zur Misshandlung durch Vorgesetzte. Die Soldatenmütter vermitteln den Betroffenen medizinische und juristische Hilfe und dokumentieren jeden einzelnen Missbrauchsfall. In sog. Menschenrechtsseminaren klären sie Wehrdienstleistende und deren Angehörige über ihre verfassungsmäßigen Rechte auf und trainieren Verhaltensregeln für eine gewaltfreie Kommunikation mit den Behörden. Zudem setzen sie sich für einen alternativen Zivildienst ein. Auf den Vortrag von Ella Poljakova und Elena Popova reagierte Carmen Scheide, Osteuropahistorikerin und Geschäftsführerin des Center for Governance and Culture in Europe an der Universität St. Gallen, mit einem Kurzkommentar, wobei sie in groben Zügen die Entwicklung der Zivilgesellschaft in Russland seit dem Zerfall der Sowjetunion rekapitulierte. Dabei ging sie auf die ambivalenten 1990er Jahre unter Jelzin ein, der zwar eine Öffnung der Gesellschaft zugelassen, aber auch entscheidende Grundlagen für das „System Putin“ und die gelenkte Demokratie gelegt habe. Putins restriktive Politik lasse sich nicht erst seit der Niederschlagung der Wahlproteste im vergangenen Jahr nachverfolgen, sondern kennzeichne das politische System seit Putins erster Amtszeit. Unter der Moderation von Prof. Jeronim Perović schloss sich eine lebhafte Podiumsdiskussion an, bei der es vor allem um die aktuelle politische und gesellschaftliche Entwicklung in Russland ging: um die von Wahlfälschungen überschatteten Parlamentswahlen im Dezember 2011 und die anschließenden Proteste, die umstrittene Wiederwahl von Vladimir Putin als Präsident im April 2012 und um das restriktive Vorgehen der Staatsmacht gegen alle Kräfte im Land, die eine stärkere Beteiligung der Bevölkerung an den politischen Entscheidungsprozessen einfordern. Zielscheibe sind nämlich vor allem zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für menschenrechtliche, rechtsstaatliche und ökologische Belange sowie für eine Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit einsetzen.

Stefan Kube