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Porfirije (Perić) zum neuen serbischen Patriarchen gewählt

Stefan Kube

Mit der Wahl von Porfirije (Perić) zum Patriarchen erhält die Serbische Orthodoxe Kirche ein relativ junges Kirchenoberhaupt. Ökumenisch könnte er als Brückenbauer fungieren. Die größte Herausforderung ist das Verhältnis zur immer autoritäreren Staatsmacht.

Am Ende fiel die Wahl auf den Jüngsten. Um 15:40 Uhr am 18. Februar 2021 verkündete die Glocke der Sveti Sava-Kathedrale die Wahl von Metropolit Porfirije (Perić) von Zagreb und Ljubljana zum neuen 46. serbischen Patriarchen. Der 59-Jährige wurde per Losentscheid – der sog. apostolischen Wahl – aus den zuvor von der Bischofsversammlung gewählten drei Kandidaten bestimmt, die mehr als 50 Prozent der Stimmen der anwesenden Bischöfe auf sich vereinigen konnten. Laut serbischen Medienberichten waren dies neben Metropolit Porfirije noch Bischof Irinej (Bulović) von Bačka (74 Jahre) und Bischof Jefrem (Milutinović) von Banja Luka (76 Jahre).
Das neue Oberhaupt der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK) wurde 1961 als Prvoslav Perić in der Stadt Becej in der Vojvodina geboren. Er studierte Theologie in Belgrad und promovierte 2004 in Athen. 1999 wurde er zum Vikarbischof von Bačka gewählt und arbeitete somit eng mit seinem geistlichen Vater und Förderer Bischof Irinej zusammen, der ihn 1985 im Kloster Visoki Dečani im Kosovo zum Mönch geweiht hatte. Im Kloster Kovilj in der Vojvodina, dem Porfirije als Abt vorstand, baute er die Gemeinschaft „Land der Lebenden“ auf, um Drogenabhängigen beim Ausstieg aus der Sucht zu helfen. 2014 wurde er zum Metropoliten von Zagreb und Ljubljana bestimmt.1

Ökumenischer Brückenbauer
Im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern auf dem Patriarchenthron – Patriarch Irinej (Gavrilović), der 2010 mit 79 Jahren zum Patriarchen gewählt worden war und am 20. November 2020 den Folgen einer Coronavirus-Infektion erlag,2und Patriarch Pavle (Stojčević), der 1990 bei seiner Wahl zum Kirchenoberhaupt 76 Jahre alt war, – ist Porfirije bei seinem Amtsantritt wesentlich jünger und könnte die Geschicke der SOK für längere Zeit prägen. Auch die kirchenpolitischen und gesellschaftlichen Begleitumstände seiner Wahl scheinen ruhiger und günstiger: Patriarch Pavle wurde inmitten des jugoslawischen Zerfallsprozesses zum Kirchenoberhaupt und musste die Kirche angesichts der veränderten politischen Rahmenbedingungen vollkommen neu positionieren; Patriarch Irinej war bei seinem Amtsantritt mit einem Führungsvakuum an der Kirchenspitze aufgrund der langen schweren Krankheit seines Vorgängers konfrontiert und musste gegen den kürzlich verstorbenen, ehemaligen Bischof Artemije (Radosavljević) von Raška-Prizren vorgehen, der mit seiner antiwestlichen und antiökumenischen Rhetorik die Kirchenleitung herausforderte.3 Gleichwohl warten auch auf Porfirije eine Reihe von Herausforderungen, die er teilweise selbst in seiner ersten Predigt nach seiner Inthronisation in der Kathedrale des hl. Erzengel Michael am 19. Februar ansprach. Zum einen betrifft das die Coronavirus-Pandemie, die Serbien aufgrund des Schlingerkurses der Regierung hart getroffen hat (s. RGOW 10/2020, S. 19–22), und der neben Patriarch Irinej einige weitere Hierarchen der SOK zum Opfer gefallen sind. Der neue Patriarch rief die Bevölkerung dazu auf, sich nicht von der Angst überwältigen zu lassen und aufeinander acht zu geben. Die Pandemie zeige, wie sehr alle miteinander verbunden seien und einer auf den anderen angewiesen sei.4
Zum anderen geht es um das Verhältnis zu den Nachbarländern, das aufgrund der Kriege der 1990er Jahre teilweise immer noch angespannt ist. Dies gilt insbesondere für Kroatien und die dortige katholische Kirche. In dieser Hinsicht könnte sich Patriarch Porfirije als echter Brückenbauer erweisen, da er aufgrund seines Wirkens als Metropolit von Zagreb und Ljubljana bestens mit den politischen und kirchlichen Verhältnissen in Kroatien vertraut ist. 2019 verabschiedete er mit Vertretern der Kroatischen Bischofskonferenz die Erklärung von Požega, in der die Bischöfe betonten, dass sie sich bewusst seien, dass „wir durch gegenseitige Anschuldigungen, das Manipulieren der geschichtlichen Wahrheit, die Interpretation der Kriegsereignisse zu tagespolitischen Zwecken, Beleidigungen und Demütigungen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nation oder einem Glauben, Gefangene der Vergangenheit und Verlierer in der Gegenwart bleiben.“5 Zudem war er Mitglied der Dialogkommission zwischen der SOK und der Kroatischen Bischofskonferenz zur historischen Rolle des umstrittenen kroatischen Kardinals Alojzije Stepinac und kennt sich insofern bestens mit den Stolpersteinen im serbisch-kroatischen Verhältnis aus.6 In seiner Predigt nach der Inthronisation bezeichnete Patriarch Porfirije Kroatien als seine „zweite Heimat“ und betonte, dass er im Dialog mit der katholischen Kirche viele neue Freunde gefunden habe. Kardinal Josip Bozanić, der Erzbischof von Zagreb, gratulierte Porfirije und zeigte sich zuversichtlich, dass die katholische Kirche und die serbisch-orthodoxe Schwesterkirche neue „Wege der Liebe und Barmherzigkeit“ gehen können. Es brauche gegenseitiges Verständnis, Wertschätzung füreinander, Akzeptanz und Vergebung, „damit ein neues Kapitel von fruchtbarer Zusammenarbeit und Gemeinschaft zum Wohl der uns anvertrauten Gläubigen aufgeschlagen wird“, so der Kardinal.7

Gretchenfrage: Verhältnis zur Staatsmacht
Neben Kroatien ging Patriarch Porfirije in seiner Predigt vor allem auf die Bedeutung Kosovos und seiner Kirchen und Klöster für die SOK ein: „Meine größte Sorge, aber auch die unserer Kirche ist weiterhin unser leidgeprüftes Kosovo und Metohija, unser geistliches Jerusalem […]. Kosovo und Metohija sind nicht nur einfach ein Mythos, denn ein Mythos gehört der Welt der Imagination an und diese können wir verlieren und überwinden. Kosovo ist für uns ein Gelübde, und dieses […] Gelübde ist mit dem Neuen Testament verbunden, auf dem die Heiligkeit gründet.“ Diese kirchliche Position zur Unveräußerlichkeit Kosovos, das sich 2008 für unabhängig erklärt hatte, ist nicht neu. Doch sollten die in den letzten Jahren ins Stocken geratenen Verhandlungen zwischen Belgrad und Prishtina zu einem Abkommen wieder aufgenommen werden (s. RGOW 6/2020, S. 22–23), stellt sich die Frage, wie sich die SOK und Patriarch Porfirije dazu positionieren. Einzelne Hierarchen wie der ebenfalls an dem Coronavirus verstorbene Metropolit Amfilohije (Radović) von Montenegro8 hatten den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić mehrfach vor einer Preisgabe Kosovos in den Verhandlungen gewarnt.
Generell dürfte die Gretchenfrage, wie hältst du es mit der Staatsmacht, die größte Herausforderung für den neuen Patriarchen sein. Unter Präsident Vučić hat sich Serbien immer mehr zu einem autoritären politischen System entwickelt: seit den Parlamentswahlen vom Juni 2020 gibt es de facto keine Oppositionsparteien mehr im Parlament (s. RGOW 10/2020, S. 19–22); Vučićs Gefolgsleute von der Serbischen Fortschrittspartei (Srpska napredna stranka, SNS) kontrollieren weite Teile der Wirtschaft als auch der Medienlandschaft des Landes, insbesondere was die Boulevardmedien betrifft (s. RGOW 2/2019, S. 14–15). Vor diesem Hintergrund erscheint die Kirche vielen Serben und Serbinnen als eine der letzten Institutionen des Landes, die nicht gänzlich unter der Kontrolle der Regierung steht. Als im Frühjahr 2019 tausende Menschen gegen Präsident Vučić und die regierende SNS demonstrierten, kritisierte Patriarch Irinej dies jedoch, da es „unseren Feiden Kraft gebe“, und enttäuschte damit die Hoffnungen vieler Menschen auf eine unabhängigere Stinmme der Kirche. Als Irinej im gleichen Jahr zum 800-Jahr-Jubiläum der Autokephalie der SOK (s. RGOW 7–8/2019, S. 10–12) Präsident Vučić auch noch den höchsten kirchlichen Orden, den Orden des Hl. Sava, verlieh, war das selbst manchen Bischöfen zu viel.9
Dass die Bischöfe in der Frage des Umgangs mit der Staatsmacht konträre Ansichten hegen, wurde im Vorfeld der Patriarchenwahl offenkundig: So erteilte Bischof Grigorije (Durić) von Düsseldorf und ganz Deutschland einem auf eine Person ausgerichteten politischen System in der Weihnachtsausgabe der Sendung „Pregled dana“ von Newsmax Adriaeine Absage. Vielmehr erklärte er, er wolle möglichst viele junge Menschen zusammenbringen, die sich für die Schaffung eines besseren Systems, insbesondere eines neuen Rechtssystems, in Serbien einsetzen würden. Obwohl Grigorije bestritt, politische Absichten zu haben, griffen die regierungstreuen und Boulevardmedien Grigorije in der Folge scharf an. Und auch der Hl. Synod der SOK verurteilte Grigorijes Aussagen als „politisch“ und „parteiisch“. Keine Probleme hatte der Hl. Synod allerdings mit den Aussagen von Bischof Sergije (Karanović) von Bihać und Petrovac, der Präsident Vučić mit Christus verglich: Solange Vučić „gekreuzigt“ werde, gehe es den Serben seiner Eparchie gut. Würden Vučićs Kritiker schweigen, ginge es ihnen nicht gut und sie würden aus der Region verschwinden. Vučićs „Kreuzigung ist unsere Auferstehung“, so Sergije.10
Der Inthronisation Porfirijes wohnte Präsident Vučić – wie auch Milorad Dodik, das serbische Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums von Bosnien-Herzegowina, und zahlreiche weitere staatliche Vertreter – selbstverständlich bei. Vučić gratulierte Porfirije zur Wahl und versicherte ihm seine Unterstützung „auf dem schwierigen, aber ehrenvollen Weg, der Ihnen anvertraut ist, die Einheit der Serbischen Orthodoxen Kirche und den Glauben im Volk des Hl. Sava zu bewahren“.11 Die Frage wird sein, ob Patriarch Porfirije Hand in Hand mit Vučić geht, oder ob es ihm gelingt, eine eigenständige Position der Kirche gegenüber der Staatsmacht im heutigen Serbien zu formulieren. 

Anmerkungen

1) http://spc.rs/sr/zhivotopis_arhiepiskopa_petshkog_mitropolita_beogradskokarlovachkog_patrijarha

2) Zeltner Pavlović, Irena: In memoriam Patriarch Irinej (Gavrilović), https://noek.info/hintergrund/1758-in-memoriam-patriarch-irinej-gavrilovic.

3) https://noek.info/nachrichten/suedosteuropa/serbien/1779-serbien-exkommunizierter-ehemaliger-bischof-artemije-radosavljevic-gestorben.

4) http://www.politika.rs/sr/clanak/473271/Beseda-novog-patrijarha-Da-jevandeljske-vrednosti-budu-svakodnevica-svih-ljudi.

5) https://ika.hkm.hr/dokumenti/izjava-katolickih-biskupa-i-episkopa-sprske-pravoslavne-crkve-sa-susreta-u-pozegi/.

6)  https://noek.info/nachrichten/suedosteuropa/kroatien/171-kroatien-dialogkommission-zu-kardinal-stepinac-beendet-ihre-arbeit.

7)  https://vijesti.hrt.hr/manjine/mitropolit-zagrebacko-ljubljanski-porfirije-novi-je-poglavar-srpske-pravoslavne-crkve-720676.

8) Kube, Stefan: In memoriam Metropolit Amfilohije (Radović) von Montenegro, https://noek.info/hintergrund/1744-nachruf-metropolit-amfilohije.

9) https://balkaninsight.com/2019/10/09/serbian-bishops-protest-over-patriarchs-award-for-president/.

10) https://noek.info/nachrichten/suedosteuropa/serbien/1829-serbien-hl-synod-kritisiert-aeusserungen-von-bischof-grigorije-als-politisch.

11) http://www.spc.rs/sr/predsednik_aleksandar_vuchitsh_uputio_chestitku_patrijarhu_srpskom_porfiriju.

pdfRGOW 2/2021, S. 3–4