RGOW 2020 02-03: Jugosphäre. Migrationsgeschichte lokal und transnational
IM FOKUS
Natalija Zenger: Umstrittenes neues Religionsgesetz in Montenegro
Das neue Religionsgesetz in Montenegro ist auf massive Kritik der Serbischen Orthodoxen Kirche gestoßen. Sie befürchtet, dass mit dessen Hilfe ihre Eigentümer verstaatlicht werden sollen, und protestiert mit Massengottesdiensten und Prozessionen dagegen. Sie unterstellt den Behörden, der gesamtorthodox nicht anerkannten Montenegrinischen Orthodoxen Kirche die konfiszierten Güter übergeben zu wollen.
MIGRATION
Karolina Novinšćak Kölker: Südosteuropäisches München: Heimatlose – Gastarbeiter – Europäer
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs kamen verschiedene Migrantengruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien nach München. Die meisten ab den späten 1960 Jahren als sog. Gastarbeiter. Nach dem Anwerbestopp trat bei der Einwanderung die Familienzusammenführung in den Vordergrund, später führten die jugoslawischen Zerfallskriege zu Fluchtmigrationen nach München. Dabei galt die Einwanderung als vorübergehender Zustand. Erst seit dem EU-Beitritt Sloweniens und Kroatiens werden Neuzuwanderern aus diesen Staaten langfristige Bleibeperspektiven und politische Partizipationsmöglichkeiten bei Wahlen in München geboten.
Mišo Kapetanović: Vom „Gastarbeiter“ zur pluralen Migrantengemeinschaft
In vielen westeuropäischen Gesellschaften leben Migrantengruppen aus dem früheren Jugoslawien. Vielfach stößt man dabei immer noch auf das Stereotyp des „Gastarbeiters“, auch wenn die Einwanderergruppen und -motive wesentlich vielfältiger waren. Heute hat sich eine Migrationsgemeinschaft mit vielfältigen Lebensstilen, einem breiten politischen Spektrum und pluralen Identitäten entwickelt.
Rory Archer: Albanische Arbeitsmigration im spätsozialistischen Kroatien
Aufgrund besserer Verdienstmöglichkeiten zogen ab den 1950er Jahren viele jugoslawische Albaner an die kroatische Adriaküste. Neben der Arbeit auf dem Bau gründeten viele auch Privatunternehmen und brachten es zu Wohlstand. Der Verdacht illegaler Tätigkeiten mittels transnationaler Netzwerke nach Albanien und Westeuropa weckte jedoch den Argwohn der Sicherheitskräfte und schürte anti-albanische Vorurteile in der Bevölkerung.
Sandra King-Savic: Integration aus der Perspektive von jugoslawischen Migranten
Die Migrations- und Integrationsforschung konzentriert sich häufig auf Immigranten der sog. zweiten Generation, obwohl sich diese meist selbst nicht als Migranten betrachten. Damit wird impliziert, dass eine Integration zumindest schwierig, wenn nicht unmöglich ist, insbesondere für die erste Generation. Umso interessanter ist, was Integration für diejenigen bedeutet, die tatsächlich immigriert sind. Ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen in Bezug auf Migration und Integration bieten der Forschung neue Impulse.
Dragana Kovačević Bielicki: Flüchtlingsroute, Proteste und mediale Berichterstattung
Zahlreiche Migranten versuchen über die Grenze von Bosnien-Herzegowina nach Kroatien und damit in die EU zu gelangen. Immer wieder berichten Medien über Proteste der Lokalbevölkerung in den Transitländern auf dem Westbalkan. Dabei ist der Tenor, dass sich die Proteste gegen die als Bedrohung wahrgenommenen Migranten richten, während viele Lokalbewohner aufgrund der fehlenden Unterstützung durch ihren Staat und die europäischen Organisationen frustriert sind.
GEORGIEN
Sophie Zviadadze: Islamische Religiosität unter georgischen Muslimen in Adscharien
In der Autonomen Republik Adscharien in Georgien sind mehr als ein Drittel der Bevölkerung Muslime, bei denen sich in der postsowjetischen Zeit ein Wiederaufleben religiöser Praktiken beobachten lässt. Im öffentlichen Diskurs, der die nationale Identität Georgiens mit der Zugehörigkeit zur orthodoxen Kirche verknüpft, werden die Muslime marginalisiert. So wird ihnen bis heute der Bau einer neuen Moschee in Batumi verweigert.