Kroatien: Kirchlicher Aufruf zum Kampf gegen die Korruption
Der Kampf gegen die Korruption sei nicht nur eine Aufgabe der Polizei und der Justiz, sondern der gesamten Gesellschaft, da die Korruption ein grundlegendes gesellschaftliches Problem darstelle. Die Kommission, eine Einrichtung der Kroatischen Bischofskonferenz, warnte zugleich aber vor einer «moralischen Panik», die das Land in eine noch schlimmere Lage bringen könnte: «Wenn die Regierung Festnahmen und Gerichtsprozesse verspricht und die Opposition noch mehr Festnahmen und Prozesse, wenn die Medien vorverurteilen, […] dann ist das Resultat […] eine gesellschaftliche Verunsicherung, die politische Instabilität, juristische Unsicherheit und wirtschaftliche Stagnation erzeugt.»
Speziell die Medien forderte «Iustitia et Pax» auf, bei allem berechtigten Interesse am Kampf gegen die Korruption die Persönlichkeitsrechte von Verdächtigen und besonders von deren Familienangehörigen zu wahren. Die Politik müsste ihrerseits juristische Rahmenbedingungen für einen besseren Schutz der Bürger vor «medialer Lynchjustiz» schaffen, der derzeit auch Personen ausgesetzt seien, deren einziges «Verbrechen» es sei, Ehegatte, Kind oder Verwandter eines Verdächtigen zu sein. Anstatt den Kampf gegen die Korruption lediglich als Problem der Polizei und der Justiz wahrzunehmen, müsse sich die kroatische Gesellschaft auf den Kern des Problems konzentrieren – auf eine Veränderung der vorherrschenden gesellschaftlichen Mentalität und des Wertesystems. In diesem Zusammenhang wies die Kommission auch darauf hin, dass Bestechung und Korruption keineswegs erst gestern – wie häufig in den Medien dargestellt – entstanden seien, sondern bereits vor mehreren Jahrzehnten. Der Vorsitzende der Kommission, Bischof Vlado Košić von Sisak, machte vor allem die frühere sozialistische Gesellschaftsordnung für das Entstehen einer korrupten gesellschaftlichen Moral verantwortlich.
Die Kommission forderte die staatlichen Verantwortungsträger zudem auf, Kroatien im Ausland nicht schlechter darzustellen, als es ist: «Auf der Welt, aber auch unter den Mitgliedern der EU gibt es korruptere Länder als Kroatien, aber deren Repräsentanten schwärzen eiihre Länder nicht an, weil sie wissen, dass sie ihnen damit nicht helfen.»
Die Erklärung der Kommission stieß in der kroatischen Medienlandschaft auf ein geteiltes Echo; vor allem Kommentatoren der Tageszeitung «Jutarnji list» kritisierten die kirchliche Stellungnahme, da sie das Problem der Korruption verharmlose und relativiere: So stelle die Kommission Korruption vor allem als «vererbtes Problem» des Kommunismus dar, schweige aber zu der Verantwortung aktueller Verantwortungsträger, wie etwa derjenigen des früheren konservativen kroatischen Ministerpräsidenten Ivo Sanader, der gegenwärtig im Fokus der Ermittlungen der kroatischen Antikorruptionsbehörde steht. Zudem kritisierten die Zeitungskommentatoren den Hinweis von «Iustitia et Pax» auf die Korruption in anderen EU-Ländern als wenig hilfreich, sei es doch erst dem Druck der EU zu verdanken gewesen, dass der Kampf gegen die Korruption nun nicht mehr «ein toter Buchstabe auf dem Papier» sei.
www.jutarnji.hr, 8., 10., 13. November; IKA Vijesti, Nr. 45, 10. November; Kathpress, 18. November – S. K.