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Türkei: Keine Wiedereröffnung der orthodoxen Hochschule Chalki

16. Februar 2009

Die türkische Regierung schließt die von der EU geforderte Wiedereröffnung der orthodoxen theologischen Hochschule von Chalki weiter aus. Das geht laut türkischen Medien aus einem Bericht über religiöse Minderheiten im Land hervor, den das Außenministerium dem Parlament in Ankara vorlegte.

Eine Wiedereröffnung der seit 38 Jahren geschlossenen Hochschule nach dem früheren Modus sei nach der türkischen Verfassung nicht möglich, heißt es in dem Bericht. Die von der Regierung vorgeschlagene Lösung, das Seminar in die theologische Fakultät der Universität einzugliedern, werde dagegen vom Patriarchat Konstantinopel abgelehnt. Das Priesterseminar auf Chalki war 1971 geschlossen worden, als die türkische Regierung alle privaten Hochschulen verbot. Seitdem konnte es nicht wieder öffnen, weil nicht-staatliche religiöse Ausbildungen verboten blieben. Eine Eingliederung in die Universität Istanbul lehnt das Ökumenische Patriarchat ab, da es die Priesterausbildung nicht dem türkischen Staat und seiner Hochschulbehörde überlassen will. Weil seit fast 40 Jahren keine Priester mehr ausgebildet werden können, droht die griechischorthodoxe Kirche in der Türkei auszusterben (s. G2W 1/2009, S. 14-17).

Dagegen erklärte Patriarch Bartholomaios I. anlässlich der Wiedereinweihung der Kirche «Konstantin und Helena » in Istanbul-Bogazköy: «Wir werden es den Wechselfällen der Geschichte nie erlauben, die Präsenz der orthodoxen Kirche am Bosporus verschwinden zu lassen. Wir sind weder am Ende noch verzweifelt.»

Aus kirchlichen Kreisen wurde zudem Kritik an fragwürdigen politischen Interpretationen im Bericht des Außenministeriums laut: In diesem sei vom «Interesse » der USA am Patriarchat Konstantinopel die Rede, um ein Gegengewicht gegen das Moskauer Patriarchat zu schaffen. Aus diesen Formulierungen sei zu schließen, dass der türkischen Diplomatie die Wiederannäherung der Patriarchate Konstantinopel und Moskau nach den Feierlichkeiten zum Taufjubiläum der «Kiewer Rus'» im Juli 2008 und der panorthodoxen Versammlung («Synaxis») im Oktober 2008 in Istanbul nicht zupass komme. Auch habe man in Ankara offensichtlich Anstoß daran genommen, dass russische Medien ausführlich über die Anwesenheit von Patriarch Bartholomaios an den Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Patriarchen Alexij II. berichtet hätten. Grundsätzlich - so die Kritik aus kirchlichen Kreisen - müsse man sich die Frage stellen, warum das Außenministerium einen Bericht über die Situation der religiösen Minderheiten erstelle - noch dazu mit drastisch verkleinerten Zahlenangaben über diese Minderheiten. Wenn die Lage der religiösen Minderheiten in die Kompetenz einer Abteilung des Außenministeriums falle, bedeute dies de facto, dass türkische Staatsbürger nicht-muslimischen Glaubens in ihrer Heimat als «Ausländer» betrachtet würden und unter der «kontinuierlichen und wachsamen Beobachtung der türkischen Bürokratie» ständen.

Dem Bericht des Außenministeriums zufolge leben heute 3000 bis 4000 griechisch- orthodoxe Christen in der Türkei, die meisten davon in Istanbul. 1950 waren es dagegen noch rund 100 000. An den Minderheitenschulen, die ihnen nach dem Lausanner Vertrag von 1923 zustehen, befinden sich gegenwärtig nur noch 217 Schüler. Die Zahl der armenischen Christen beträgt nach Angaben des Außenministeriums heute rund 60 000, die Zahl der Juden ca. 25 000. Andere christliche Gruppen wurden von dem Bericht nicht erfasst, weil sie nach türkischer Auffassung nicht als Minderheiten gelten.

www.kathpress.at, 12., 19. Dezember 2008 - S.K.

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